Der eiserne Eugen zerschlägt den HVV

■ Baubehörde will HVV eindampfen / HHA und DB ungeschoren / Krach mit Umland

Eugen Wagner will die Zentralorganisation des Hamburger Nahverkehrs, den Hamburger Verkehrsverbund (HVV), radikal verkleinern. Wo heute noch 100 MitarbeiterInnen Tarife und Fahrpläne koordinieren, Großkunden akquirieren und Investitionen koordinieren, sollen ab Januar –96 „bis zu 40 Stellen“ ausreichen. Das besagt der Senatsbeschluß „Strukturveränderungen im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Hamburg und in der Region“, der der taz vorliegt und über den die Bürgerschaft Anfang November entscheidet.

Verkehrssenator Eugen Wagner hatte seinen Coup wieder mal genial eingefädelt: Während in allen anderen Bundesländern seit fast zwei Jahren Öffentlichkeit und Experten an ÖPNV-Reformen bosselten, beschied Wagner Fragen nach den Vorbereitungen Hamburgs auf die Reform des ÖPNV zum Januar –96 locker mit „Wir arbeiten daran“.

Besonders nervös machte er damit das Führungsgremium des 1965 gegründeten Hamburger Verkehrsverbundes (HVV), einst modern, heute etwas angestaubt, der eigentlich glaubte, zur Neuordnung des Nahverkehrs in Norddeutschland zumindest gefragt zu werden. Aber Wagner und seine Mitarbeiter werkelten im Stillen. Ohne jede Vorankündigung beglückte Wagner dafür am Dienstag, den 12. September, um 14.30 Uhr die Landespressekonferenz mit seiner Anwesenheit: Anhand eines dürren Pressetexts und voller Selbstbewußtsein verkündete er, beim HVV bleibe auch nach dem 1. Januar –96 alles beim Alten. Wer es genauer wissen wollte, war auf Spekulationen angewiesen.

An diesem Dienstag ging es auch dem HVV-Direktorium nicht besser, welches Wagner für 16.30 Uhr zur Informationsrunde geladen hatte. Er ließ dort den Pressetext verteilen. Gleiches Spiel um 17.30 Uhr auch beim Gespräch Wagners mit dem HVV-Betriebsrat. Gleichwohl sickerte durch, daß beim HVV wohl gut die Hälfte gefeuert werden sollte. Kalte Dauerdepression, gespeist aus der Null-Kommunikation mit Hamburgs oberstem Verkehrspolitiker, verdichtet sich nun beim HVV zu kalter Wut.

Dabei geht es längst nicht nur um den HVV: Wagners neue ÖPNV-Struktur, so zeigt der Senatsbeschluß, bedeutet nicht nur den Verzicht auf die Nutzung der Chancen der neuen ÖPNV-Möglichkeiten. Tatsächlich zeichnen sich Verschlechterungen ab. Die künftige HVV GmbH darf lediglich Vorlagen zum Verkehrsangebot erarbeiten – die letzte Entscheidung bleibt den jeweiligen Landkreisen überlassen. Das „Territorialprinzip“ wird, mahnen Experten, in den nächsten Jahren noch für erheblichen Zoff sorgen. Denn künftig ist jeder für den ÖPNV auf seinem Gebiet finanziell verantwortlich. Um jede Buslinie, jeden S-Bahn-Halt kann massiver Streit ausbrechen. „Das Territorialprinzip“, so schimpft ein führender HVV-Mitarbeiter, „ist ein Rückfall in die verkehrspolitische Kleinstaaterei“. Während anderswo in Deutschland große Verbünde und länderübergreifende Verträge dem ÖPNV neue Power einflössen, regiert im Großraum Hamburg das Veto-Prinzip. Wagners Ankündigung, er werde dafür im Umland Kasse machen, blieb zunächst auch folgenlos: Statt der 50 bis 100 Millionen Mark Defizitzuschuß, welche das Umland gemäß der neuen EU- und Bundes-Gesetze aufbringen müßte, konnte Wagner bis 1998 gerade mal 20 Millionen Mark pro Jahr rausschlagen. Bis 1998 soll ein Gutachten klären, nach welchem Schlüssel das Defizit des HVV aufgeteilt wird. Streit ist programmiert.

An die wichtigsten Geldtöpfe traute sich Wagner jedoch erst gar nicht ran: Die städtische Hochbahn AG (HHA), fest im Griff rechter SPD-Seilschaften, müßte nach dem 1. Januar –96 eigentlich Konkurrenz fürchten. Der HVV könnte z.B. – und sei's nur, um erzieherischen Druck auszuüben – den städtischen Busverkehr europaweit ausschreiben. Damit jedweder Druck von der HHA genommen wird, schreibt der neue HVV-Vertrag fest, daß die HHA-Leistungen nicht ausgeschrieben, sondern in bewährter Weise erbracht werden. Auch die Bundesbahn, anderswo bereits kräftig heruntergehandelt, weiß sich der Fürsorge Wagners sicher: Die Stadt zahlt die alten überhöhten Preise weiter. Ein amputierter HVV, Streit mit dem Umland und triumphierende Großverkehrsbetriebe – „eine Festschreibung des status quo unter schlechteren Rahmenbedingungen“, so formuliert es einer, der trotz allem hofft, unter jenen 40 zu sein, die auch der neuen HVV-GmbH angehören.

Florian Marten