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■ Zehn Jahre Ruine der Künste: eine Jubiliäumsausstellung

Die dunklen Wolken, die am Sonntag nachmittag den Himmel über Wolf Kahlens Ruine der Künste verdüsterten und einem schönen Sommertag ein Ende bereiteten, sie hatten ihre Symbolkraft verloren. Just vor einer Woche, so konnte der erleichterte Hausherr bei der Eröffnung der Jubiläumsausstellung zum zehnjährigen Bestehen des Künstlermuseums verkünden, habe der Senat den Mietvertrag für die Ruine der Künste verlängert.

Um so entspannter ließ sich Bilanz ziehen in der ruinösen Villa in der Dahlemer Hittorfstraße. 1981 mietete der Künstler Wolf Kahlen das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gebäude vom Senat, entrümpelte es und richtete die Ruine in unzähligen Arbeitsstunden her. Vier Jahre später wurde die erste Ausstellung eröffnet. Seitdem hat Kahlen rund 70 Projekte mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern organisiert. Mit dabei waren die namhaftesten ihrer Zunft: Jochen Gerz, Wolfgang Laib, der 1987 verstorbene Fluxus-Künstler Robert Filiou, Dieter Appelt, Jannis Kounellis oder Nam June Paik.

In den Räumen im Erdgeschoß der Villa ziehen nun diese zehn Jahre Ausstellungstätigkeit an einem vorbei, angefangen mit der Präsentation des programmatischen „Gedankenphotos“ von 1985: Es entstand während einer Séance mit einem spirituellen Medium, das Kahlen Anfang der achtziger Jahre in New York kennengelernt hatte. Die übrigen Ausstellungen erscheinen, Kahlens Auffassung von „immaterieller Kunst“ entsprechend, in Form von Stellvertretern: präsentiert werden die blechernen Schilder, die die Projekte seit Jahr und Tag am Gartentor der Ruine der Künste ankündigen. Ein eindrucksvolles Defilee, das freilich kaum mehr als eine Ahnung des Vergangenen vermittelt. Darüber hinaus sind Arbeiten ausgestellt, die Künstler im August im Rahmen der Solidaritätsaktion „Gute Worte“ an Kahlens damals noch bedrohte Ruine geschickt haben.

Und so kamen, um dem Gastgeber und seinem „intimen Ort“ (Kahlen) die Reverenz zu erweisen, am vergangenen Sonntag außer Schülern, Freunden und Freundesfreunden viele der Künstlerinnen und Künstler, die über die Jahre hinweg an diesem etwas anderen Museum mitgewirkt haben. Wojciech Bruszewski etwa, der Komponist, dessen Stück „The Infinite Talk“ der hauseigene, allerdings bedauerlicherweise recht strahlungsarme Radiosender fünf Jahre lang sendete. Fotograf Kurt Buchwald („Fotografieren verboten“) trug in mühsam gebremsten Tatendrang sein Stativ vor sich her. Auch die chinesische Künstlerin Yin Qufen, die hier ihre Installation „Wäsche trocknen“ zeigte, bevor sie später als Teilnehmerin der Schau „Leiblicher Logos“ damit groß herauskam, schaute vorbei und gratulierte zum Zehnjährigen. Sie genoß ebenso wie der Schweizer Urs Jaeggi, von dem ein Objekt in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist, den warmen Septembertag im Garten. Geregnet hat es erst, als alle auf dem Heimweg waren. Ulrich Clewing

„Gedankenphotographie/Gute Worte“, bis 13.10. täglich 14-18 Uhr, Ruine der Künste, Hittorfstraße 5, Dahlem.

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