: Welchen Sarg hätten S' gerne?
Wer sich nicht im Grab rumdrehen will, sorgt bei der Beerdigung vor: Bestattungsverträge nützen aber vor allem den Bestattern ■ von Doris Maassen
Wer nichts, aber rein gar nichts dem Zufall überlassen möchte, sorgt vor. Um Überraschungen vorzubeugen, plant man am besten die eigene Beerdigung gleich mit. „Sicherheit bis nach dem Tod“ verspricht ein Angebot, das die meisten der 184 Berliner Bestattungsunternehmen im Angebot haben: der Bestattungsvorsorgevertrag. Die Firmen legen ihren KundInnen nahe, zu Lebzeiten vorzubereiten, wie ihr eigenes Begräbnis gestaltet sein soll.
Friedhof, Grabstelle, Sarg, die Sargauskleidung, das Totenhemd können ebenso im voraus gewählt werden wie das Drumherum: Alles, von den Todesanzeigen über Blumen bis hin zur Musik wird vertraglich festgehalten – und bezahlt. Vorsorge treffen die Bestattungsfirmen so vor allem für sich selbst: In Zeiten sinkender Sterberaten sichern sie sich die Aufträge so früh wie möglich. An KundInnen, die Vorsorgeverträge abschließen, mangelt es nicht. Ein Drittel aller Bestattungen, die sie heute vornehmen, seien per Vertrag geplant und finanziert, berichtet die Bestatterin. Nur noch 2.100 Mark zahlt die Krankenkasse seit der Gesundheitsreform für ein Begräbnis, obwohl selbst eine einfache Beerdigung bereits über 5.000 Mark kostet.
Viele alte Menschen haben Angst, das ihre gierigen Kinder das Erbe lieber für sich behalten als es für eine angemessene Beerdigung auszugeben. „Wenn ein Vertrag besteht, können die Angehörigen nicht sagen, das wollen wir nicht, wir machen eine Sozialbestattung draus“, spricht die Bestatterin ihnen aus der Seele. Andere möchten den Verwandten mit ihrem Tod nicht zur Last fallen und wollen, daß beim Begräbnis alles nach ihren Wünschen abläuft.
Doch diese Sicherheit ist trügerisch. Bezahlt haben die KundInnen, aber ob das Geld tatsächlich für das gewählte Arrangement ausreicht, ist nicht garantiert. Da alles teurer wird, gilt dies auch für die Bestattungskosten: für die Friedhofsgebühren, die Sargpreise und den Betrag, den die Bestatter für ihre Dienstleistung an und um die Toten kassieren.
Zwar wird das bei Vertragsabschluß eingezahlte Geld – zumindest von den seriösen Firmen – auf Sperrkonten angelegt und also auch verzinst. Da die Preissteigerungen jedoch die Zinsen übersteigen, müssen die KundInnen mit Nachforderungen rechnen. Und wer sich eines Tages entscheidet, statt in ein pompöses Begräbnis lieber in eine große Reise zu investieren, muß 15 Prozent der Vertragssumme zahlen, um die Vereinbarungen aufzuheben.
„Die Vertragsinhaber kommen zu uns und beschweren sich darüber, daß die Unternehmer plötzlich wesentlich höhere Preise verlangen, mit denen nicht gerechnet worden war“, schildert Rüdiger Strichau von der Verbraucherzentrale seine Erfahrungen. Bei den Nachforderungen handelt es sich um nicht geringe Summen: In einem Fall mußte eine Einlage von 8.000 Mark aus dem Jahr 1986 bis heute um 4.000 Mark aufgestockt werden.
„Zum Glück reagiert nur ein kleiner Teil auf unsere Briefe böse, die meisten sind sehr verständnisvoll“, berichtet hingegen die Bestatterin. Meist gelinge es ihr, sie von der Richtigkeit ihrer Forderung zu überzeugen. Denen, die nicht zahlen könnten, biete sie an, im Vertrag eine preiswertere Lösung festzulegen. Auf dem Papier existiert diese Möglichkeit jedoch nicht, die KundInnen sind also auf den Goodwill der Bestatterin angewiesen. Und auf eines kann diese sich verlassen: Niemand feilscht gerne um das eigene Begräbnis.
Ob die KundInnen tatsächlich zahlen müssen, hängt vom Kleingedruckten in den Verträgen ab. Manche Klauseln seien illegal, erklärt Rüdiger Strichau. Wenn zum Beispiel die Firma Grieneisen, Berlins größtes Bestattungsunternehmen, schlicht festlegt, daß „die Preise der Beauftragten (...) am Tage der Bestattung“ in Rechnung gestellt würden, sei dies nicht rechtmäßig. Im Vertrag müsse nämlich genau festgelegt werden, in welchem Umfang die Preise steigen dürften.
Strichau ist überzeugt, daß die Bestattungsvorsorgeverträge vor allem für die Interessen der Unternehmen Sorge tragen. Er empfiehlt eine Alternative: „Wenn jemand zu Lebzeiten festlegen will, wie er bestattet wird, raten wir, das per Testament zu machen und das nötige Geld auf ein Sparkonto zu legen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen