Krieg der Cowboy-Welten

Sportarten, mit denen uns der Wilde Westen kommt: Reining galoppiert auf die alte Welt los  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Ludwigshafen (taz) – Mit der Austragung von Weltmeisterschaften sind Städte wie Ludwigshafen nicht gerade gesegnet. Da freut es die Honoratioren, daß nach Ringern und Keglern auch die Westernreiter am vergangenen Wochenende frische Chemieluft schnuppern wollten. Doch die angebliche WM im Reining entpuppte sich als Mogelpackung.

Im Februar 1995 hatten einige europäische Verbände, darunter auch die National Reining Horse Association Germany (NRHA), den World Reining Club (WRB) gegründet. Beim Reining kommt es darauf an, das Pferd aus schnellem Galopp zu stoppen und möglichst schnell auf der Hinterhand zu drehen. Mit der WRB soll ein Gegengewicht gegen die im Reining dominierenden USA geschaffen werden. Dort finden regelmäßig gutdotierte Preisgeldturniere statt. Die Regeln sind simpel: Wer am Ende der Saison die meisten Dollar verdient hat, ist Weltmeister.

Also setzte die WRC nach diesem Vorbild drei Turniere in Pillichsdorf (Österreich), Reggio Emilia (Italien) und in Ludwigshafen-Oggersheim an, um ihre eigenen Champions zu küren. Aber weder auf dem offiziellen Programmheft noch in der Reithalle war ein WM-Logo zu finden. Dem Publikum war das egal. Das war in Westernkleidung erschienen, sah also aus wie die Leute von der Shiloh-Ranch, und begeisterte sich an den Reining-Darbietungen, obwohl die ziemlich kurz gerieten. Dem Reining hängt viel von verflossener Cowboy-Romantik an, die die Veranstalter dann auch bis zum Exzeß pflegten. Messestände mit allem, was Reiter und Pferd brauchen, sorgten für das unvermeidliche Ambiente. Ein Südtiroler namens George McAnthony versetzte die wenigstens ohne rauchende Colts agierenden Spare- Ribs-Konsumenten im rauchverhangenen Messezelt in „Leise rauscht es am Missouri“-Stimmung.

Entstanden ist das Reining in Amerikas Westen, wo die spanischen Einwanderer ihre Herden von vaqueros bewachen ließen, damals noch ohne Zaun und Stacheldraht. Da waren besondere Geschicklichkeit und ein optimales Verständnis zwischen Reiter und Pferd gefragt.

In der Non-Professional-Class setzte sich überraschend Heidi Wallner durch, obwohl zuvor der Italiener Rocco Toscani klar geführt hatte. Doch Toscani, der zuvor ein Preisgeld von 12.377,70 Mark gewonnen hatte, fehlte in Ludwigshafen ebenso wie seine Landsleute Giuditta Foti, Eugenio Latorre und Matteo Arcese. Die WM war ihm wohl nicht wichtig genug. So genügten der temperamentvoll reitenden und ausdrucksstarken Deutschen ganze 3,30 Mark mehr für diesen zweifelhaften Welttitel.

Was Reining-Events so lustig macht, fiel fast ganz aus. Beim Cutting, bei dem das Pferd aufpassen muß, daß eine in seine Obhut gegebene Kuh keine Lücke findet, um zu entweichen, wurde die Kuh durch einen Menschen ersetzt. Dabei gibt es nur wenige Kilometer weiter in Maudach jede Menge Bauern und Rinder. Nun: Die geduldigen Pferde spielten auch mit dem etwas lächerlich wirkenden Zweibeinern „Fang die Kuh!“

Bereits 1996 will die WRC sechs bis acht Turniere ansetzen, die Preisgelder in die Höhe treiben und damit für die US-Amerikaner interessanter werden. Bozo Rogers war einer der wenigen, die in Ludwigshafen teilnahmen: Mit „Dunnit like a Cowboy“ gewann er die Open-Konkurrenz. Ihm sollen weitere folgen. Die Organisation rechnet auch mit dem Eintritt der Schweizer, Holländer, Briten, Belgier, Franzosen, ja gar der Kanadier. Dann wäre die Konfrontation mit den US-Cowboys perfekt.