Ins Licht geführt

■ Fritz Egners "Versteckte Kamera" ist wieder unterwegs (20.15 Uhr, ZDF)

Er war entsetzlich entsetzt.

„Halt! Stop! Kamera aus!“ rief der junge Seriendarsteller Michael Roll aus, „da stimmt doch etwas nicht! Das ist doch alles nicht wahr!“ Natürlich hatte er recht. Man hatte sich nur einen Spaß mit ihm erlaubt.

Rückblende: Nina Ruge wolle für „Heute nacht“ eine Homestory mit ihm drehen, hatte man Michael Roll erklärt. Und so hatte er das Team von Fritz Egners „Versteckter Kamera“ arglos in seine Wohnung gelassen. Daß Egners Mitarbeiter später – natürlich in Rolls Abwesenheit! – seine geschmackvollen Möbel gegen scheußliche Billigteile austauschen würden, hatte man ihm natürlich nicht gesagt.

Daß man dann jede Einstellung noch einmal drehen und schließlich mit simplen Gegenschnitten die authentischen Interviewszenen zu den falschen Gegenständen montieren würde – wer hätte das ahnen können? Auch der Studiotermin mit Nina Ruge, wo sich Roll die Homestory jetzt vor laufenden Kameras anschauen soll, ist keinesfalls „echt“. Die angebliche Live-Situation soll ihn nur in noch größere Nöte bringen. Groß zielt die Kamera auf das Gesicht, während er sich seine (seine?) Wohnung anschaut. Endlich, sehr spät, erlöst Fritz Egner sein Opfer aus dessen „absolutem Alptraum“. Michael Roll hat, ohne es zu wissen, bei der „Versteckten Kamera“ mitgewirkt. Und sein Erstaunen wirkte echt, das Entsetzen authentisch, die Panik, die Ohnmacht – alles wahr. Alles live im Sinne von lebendig.

Gute fünfzig Jahre hat die amerikanische Idee der „Versteckten Kamera“ im Deutschen Fernsehen überlebt. Bei Chris Howland waren es noch irgendwelche Leute, die Howlands Tricks zum Opfer fielen. Felix Kurt präsentierte Jahre später am Schluß seiner Sendung einen meist eher zahmen Prominentengag als abschließenden Höhepunkt.

Bei Fritz Egner ist das Starprinzip nun zum gestalterischen Prinzip geworden: „Prominente hinters Licht geführt“, heißt seine Show im Untertitel, und stattliche 7 Millionen Zuschauer (Marktanteil 25 Prozent) schalten ein, wenn er mit den kleinen (selten großen) TV- Stars seinen Schaberknack treibt. Denn die ursprüngliche Idee, die noch auf möglichst lustigen Streichen beruhte, wird durch die Auswahl der prominenten „Opfer“ noch mit einem weiteren, selten zu erhaschenden, inszenatorischen Element aufgeladen: Egner zeigt die uns bekannten Gesichter so, wie wir sie sonst nie zu Gesicht bekommen: irritiert, ratlos, verzweifelt. Menschlich eben.

Daß es ausgerechnet eine aufwendige Inszenierung ist, die diese uninszenierten Reaktionen auslösen, ist nicht erstaunlich. Denn in den vielen Talk-Runden und Interviewsituationen hat letztlich doch immer der eingeladene Gast die Definitionsmacht über den Verlauf seiner öffentlichen (Selbst- )Darstellung. Selbst wenn er derart provoziert wird, wie weiland Roland Kaiser von Karl Dall, bleibt ihm doch immerhin das Recht, aufzustehen, das Studio zu verlassen und die unangenehme TV-Begegnung damit zu beenden. Roland Kaiser hat seine Flucht damals nicht einmal geschadet. Man hat das als Akt der Selbstachtung zur Kenntnis genommen.

Michael Roll hatte diese Wahl nicht. Da ihm nicht bewußt war, an einer Begegnung teilgenommen zu haben (jedenfalls nicht an der von Egner inszenierten), konnte er sie auch nicht beenden. Vor der „ungeschminkt“ menschlichen Reaktion gab es kein Entrinnen. Es blieb Roll nur eines: über sich selbst zu lachen. Es wirkte entsetzlich geschminkt. Klaudia Brunst