Schweden bleibt weiter ohne ein Atomklo

■ 70 Prozent der Bevölkerung in Storuman sagten Nein zum Atommüll.

Stockholm (taz) – Storuman liegt in Nordschweden und war von Schwedens Atomwirtschaft dazu ausersehen worden, Geschichte zu schreiben. Die endgültige Lösung des Atommüllproblems sollte im Urgestein einen halben Kilometer unter der lappländischen Gemeinde stattfinden. Ein Projekt, das nun endgültig zu den Akten gelegt werden muß: Die 5.000 StorumanerInnen sagten am Sonntag im Rahmen einer Volksabstimmung zu 70 Prozent „Nein“ zur strahlenden Zukunft. Schwedens Atommüll bleibt heimatlos.

Das, was die von der Friseuse Lotta Lundberg geleitete Bürgerinitiative „Aktionsgruppe gegen Atommüll in Storuman“ in einer feuchtfröhlichen Feier begoß, ist eine schwere und gleichzeitig unerwartete Niederlage für Schwedens Atomwirtschaft: Laut Gesetz hängt eine Erneuerung der Betriebserlaubnisse für die AKWs von einem „überzeugenden Atommüllentsorgungskonzept“ ab. Und dabei galt Storuman bislang als sichere Karte.

Der Ort war von der staatlichen „Brennelementehandhabung“ (SKB) ausgewählt worden. Die Arbeitslosigkeit ist hier rekordhoch, seit Jahren sinkt die Bevölkerungszahl im industriereichen Reich der endlosen Wälder. Das Atomklo sollte den Wirtschaftsaufschwung bringen: 700 neue Arbeitsplätze für die auf knapp zehn Jahre projektierte Bauzeit des unterirdischen Endlagers, 200 Jobs zumindest für die nächsten 50 Jahre Betriebszeit. Das hatte SKB versprochen. Bürgermeister und Gemeinderat sagten ob solcher Lockungen schnell ja, und das Rennen schien gelaufen. Doch der Widerstand der Bevölkerung regte sich so stark, daß man sich zur Abhaltung einer Volksabstimmung gezwungen sah. SKB lieferte eine massive Materialschlacht, dem die Atommüllgegner nur ein abgewandeltes Verkehrsschild entgegensetzen konnten: Das Elchwarnschild zeigte in ihrer Fassung einen auf dem Rücken liegenden toten Elch mit dem Zusatz: „0 bis 240.000 Jahre.“ Doch für Mehrheit der StorumanerInnen war damit das Entscheidende zu den Atomkloplänen gesagt. Lundberg: „Wir wollen den Dreck aus dem Süden nicht haben.“

In Südschweden, wo die zwölf Atomreaktoren des Landes stehen, und vermutlich auch weiterhin in Lappland, wird SKB nun nach neuen potentiellen Standorten suchen müssen. Nach dem „Nein!“ aus Storuman dürfte sich diese Suche noch schwieriger gestalten. Reinhard Wolff