Ein Tritt in den Maulwurfshügel

■ Meerkabarett: Roger Willemsen und Dietmar Kamper talkten fröhlich über das Glück – doch das Gespräch verunglückte

„Wenn ich gar zu glücklich wär, hätt' ich Heimweh nach der Traurigkeit“, befand Friedrich Holländer einmal und outete sich damit als Melancholiker. Das ist angesichts zeitgeistiger think positive-Strategien zwar reichlich unpopulär, bewahrt aber vor Fehlern – wie, es muß leider gesagt werden, dem Besuch einer Gesprächsrunde über DAS Glück.

Roger Willemsen, im Talk-Show-Biz für die Stimulierung höherer Hirnregionen zuständig, wagte es trotzdem und lieferte sich im Zelt des Meerkabaretts im Haynspark ein zweistündiges Zwiegespräch mit dem Berliner Soziologen Dietmar Kamper. Der hohe Anspruch eines „wirklichen“ Gespräches – in Abgrenzung vom schnöden TV-Talk – scheiterte: Am Ende stellte sich das gleiche Gefühl von Irrelevanz, Leere und Beliebigkeit ein, das einen auch befällt, wenn der Abspann von Hans Meiser über die Mattscheibe läuft.

Dabei hatten es die Themen schon in sich. Willemsen ging gleich in die vollen: Das Bild eines Jungen, der einen Maulwurfshügel zertritt, sei für ihn der vollkommene Ausdruck höchsten Glücks. Und nachdem Willemsen einmal das Sado-Seelchen schlüpfen ließ, gab es kein Halten mehr: In windigen Thesen läßt er sich über die Asozialität des Glücks und der Ich-Autonomie aus, referiert die ästhetischen Positionen des Fin de siècle und schwingt sich schließlich zu der Frage auf, ob nicht der Staat der größte Glücksverhinderer sei.

Das wäre das Stichwort für den Soziologen gewesen, aber leider fängt Kamper den Ball nicht. Statt dessen erläutert er sein Glückskonzept, das sich von Willemsens gar nicht größer unterscheiden könnte: Grade die Emanzipation vom Ich und seinen Bedürfnissen mache glücklich und frei. So wie im Märchen vom „Hans im Glück“, der seine Goldbarren so lange eintauscht, bis er am Ende nichts mehr besitzt.

„Das ist doch doof“ ist alles, was Willemsen zu kontern weiß, und verspielt damit die Chance zu einer konfrontierenden Diskussion. Munter springen die beiden unter Willemsens Führung weiter durch die Geistesgeschichte. Während Kamper behäbig von Augustinus zu Papst Innozenz schleicht, hüpft Willemsen fröhlich zwischen Proust, Musil und Stifter hin und her. Sie könnten sich wunderbar ergänzen, der bedächtige Professor und der wibblige Moderator, wenn nur einer mal den Gedanken des anderen aufgreifen und weiterdenken würde. Aber so bleibt am Ende nur ein Scherbengericht aus Gedankensplittern.

„Das Glück läuft vorweg und die Sehnsucht hinterher“, so beschrieb Georgette Dee die Situation der meisten Menschen. Wie wär's denn, fragt sie weiter, wenn sich die Sehnsucht einmal umdrehte. „Dann müßte das Glück endlich mal der Sehnsucht hinterherzockeln.“ Oliver Fischer