„Aus großer Not“

Elisabeth Diemer (Foto links) aus Rissen hat vor über zwei Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann die Vormundschaft für einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling aus Togo übernommen. Heute arbeitet sie in dem achtköpfigen Team, das das Vermittlungsprojekt des Kinderschutzbundes für Privatvormundschaften betreut und begleitet.

taz: Wie sind Sie mit der Problematik der minderjährigen Flüchtlinge in Kontakt gekommen?

Elisabeth Diemer: In Rissen gibt es ein Containerdorf, in dem auch minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind. Ursprünglich ist der Kontakt zustandegekommen, als einige Rissener Bürger eine Nottelefon-Kette eingerichtet haben, um das Containerdorf vor ausländerfeindlichen Übergriffen zu schützen. Wir haben gesehen, daß dort Kinder und Jugendliche leben, die aus unendlich großer Not kommen. Kein Jugendlicher verläßt freiwillig seine Familie und sein soziales Umfeld.

War ihre Motivation zu helfen eher humanitärer, sozialer oder politischer Natur?

Anfangs wollten wir einem Jugendlichen, der hier ohne jegliche Bezugsperson in einer fremden Kultur lebt, humanitär helfen. Für mich ist es selbstverständlich, daß jemand aus einer gefährlichen Situation flüchtet und sich dann auch irgendwo sicher fühlen will. Das würde ich mir bei umgekehrter Situation auch für meine beiden eigenen Kinder wünschen. Aufgrund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, sehe ich unser Engagement mittlerweile auch politisch.

Sie meinen Erfahrungen mit den Behörden?

Die Betreuung eines Mündels gegenüber Ämtern erfordert sehr viel Zeit und Kraft. Da stößt man oft an seine Grenzen. So hat der Normalbürger in der Regel mit bundesdeutscher Ausländergesetzgebung nichts zu tun. Seit ich mich damit beschäftige, habe ich Verfahrensweisen erleben müssen, die ich in unserer Demokratie nicht für möglich gehalten hätte.

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