Antes erhält Schmerzensgeld

■ Korrupter Ex-Baustadtrat wird für Haftzeit entschädigt

Das große Loch des Haushalts wird noch ein kleines bißchen größer: gestern entschied das Kammergericht, daß das Land Berlin 20.000 Mark Schmerzensgeld an den 1986 wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilten ehemaligen Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes zahlen muß. Außerdem müssen dem 51jährigen alle seit März 1989 entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen Schäden erstattet werden, die ihm durch Mängel in der Untersuchungs- und Strafhaft entstanden sind.

Vorausgegangen war dem gestrigen Spruch eine Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH). Danach haben Staatsanwaltschaft und Haftrichter gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Antes sei zwar rechtskräftig verurteilt worden, hätte aber zeitweise nicht eingesperrt werden dürfen, urteilte das BGH bereits 1993. Daraufhin verlangte Antes vom Land Berlin 50.000 Mark Schmerzensgeld und eine monatliche „Schmerzensgeldrente“ von fünfhundert Mark.

Ausgelöst wurde die „Antes- Affäre“ 1985 durch den zufällig von der Kripo bei einer Durchsuchung aufgefundenen Brief des Bauunternehmers Christoph Schmidt-Salzmann an Antes. In diesem Schreiben mahnte der Makler, der sich unter anderem mit gedungenen Killern eines Konkurrenten entledigen wollte, beim „lieben Wolfgang“ einen „versprochenen Erbbaurechtsvertrag sowie Baugenehmigungen“ an. Er habe seine Zuwendungen schließlich nicht umsonst getätigt. Komme Antes der Forderung nicht nach, dann „könne er sehr ungemütlich werden“, drohte Schmidt-Salzmann. Antes selbst gab vor Gericht die Annahme von 300.000 Mark Bestechungsgelder zu. Verwickelt waren in den Bestechungsskandal auch weitere CDU-Politiker wie der Tiergartener Bezirksbürgermeister Wurche bis hin zum Regierenden Bürgermeister Diepgen. Sie alle hatten umfangreiche „Spenden“ vom Bauunternehmer Franke entgegengenommen. Verurteilt wurde unter anderem auch der damalige FDP-Umweltsenator Vetter.

Antes, der seit frühester Kindheit an einer Lähmung der Beine und einer Darm- und Blasenschwäche leidet, konnte seine Gesundheit nach Angaben eines Gutachters nur durch Willenskraft und viel Training aufrechterhalten. Die unzureichende medizinische Behandlung im Gefängnis hätten zu einem „massiven Einbruch“ seines Gesundheitszustandes geführt.

Nach Angaben von Justizsprecher Rüdiger Reiff läuft gegen Antes inzwischen ein neues Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Untreue. Deshalb sei seine Privatwohnung im Juni 1995 durchsucht worden. Barbara Bollwahn