Fünfprozentklausel soll gekippt werden

■ Verfassungsgericht berät morgen ÖDP-Klage, die Hürde bei Bezirkswahlen aufzuheben. Gute Aussicht auf Erfolg

Gäbe es für die Wahl der Bezirksparlamente keine Fünfprozenthürde, dann würden die Berliner Kommunalparlamente ganz anders aussehen. Beispiel Kreuzberg: Nimmt man die Stimmenzahlen der letzten Wahlen im Mai 1992, säßen nicht nur SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch vier „Republikaner“, zwei FDP-Vertreter, ein PDS- Vertreter und auch der Wahre Heino für die Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum in der BVV. CDU und Bündnisgrüne hätten einen Sitz abgeben müssen, die SPD sogar zwei.

Geht es nach der Ökologisch- Demokratischen Partei (ÖDP), soll dies möglichst schon zu den Wahlen am 22. Oktober Wirklichkeit werden. Das Berliner Verfassungsgericht berät am Donnerstag über die Klage, die von der ÖDP im Mai eingereicht wurde.

Die konservative Ökopartei beruft sich auf das Gleichheitsgebot. In mehreren Bundesländern, beispielsweise in Brandenburg, gebe es bei den Wahlen der Kommunalparlamente keine Sperrklausel, erklärte der ÖDP-Landesvorsitzende Harald Graeschel. „Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, daß es keinesfalls zu einer Zersplitterung der Parteien und einer Handlungsunfähigkeit der Parlamente kommt, wenn die Sperrklausel entfällt“, begründet Graeschel den Vorstoß. In Nordrhein-Westfalen hatte die ÖDP im vergangenen Jahr erfolgreich das Verfassungsgericht angerufen. Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat inzwischen einen Entwurf vorgelegt, der eine Dreiprozenthürde vorsieht. Auch Rheinland-Pfalz führte eine Dreiprozenthürde ein.

Gemessen an ihren bisherigen Wahlergebnissen dürfte die ÖDP allerdings auch an einer Dreiprozenthürde scheitern. Bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) trat sie 1992 in acht Bezirken an. Ihre Spitzenergebnisse erzielte sie mit 1,5 Prozent in Steglitz und Köpenick. Auch bei einem Wegfall der Fünfprozentklausel wäre ein Stimmenanteil von 2,3 Prozent notwendig, um ein Mandat zu erhalten.

Ob ein positiver Spruch des Verfassungsgerichts noch zu einer Änderung des Wahlrechts für den 22. Oktober führt, ist derzeit unklar. Zwar hat die ÖDP eine einstweilige Verfügung beantragt, um die Ausgabe der Wahlunterlagen bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts zu stoppen. Da aber schon bei einer geringfügigen Verzögerung der Briefwahl die Wiederholung der Wahl riskiert wird, rechnen Beobachter nicht damit, daß das Verfassungsgericht der einstweiligen Verfügung der ÖDP stattgibt. Dorothee Winden