■ Nach „Schweigen der Lämmer“ neue Frage offen:
: Warum Penelope schreit!

Mein Ziel ist, daß Penelope nicht mehr schreit, wenn ich singe. Sie ist übrigens nicht die einzige, die sich beklagt, wenn ich lauthals beim Radio mitsinge, aber so konsequent beschwert sich sonst niemand. Penelope ist unsere Katze.

Ein bißchen empfindlich in allen Lebenslagen, könnte ich zu meiner Verteidigung anführen, aber unbegeisterte Reaktionen auf meine Gesangsversuche kenne ich schon seit meiner Kindheit. Ich war ein fröhliches Kind. Viele wünchen sich ein fröhliches Kind. Meine Eltern wollten aber keines, das frühmorgens im gemeinsamen Bad gutgelaunt vor sich hinsingt. Entmutigend hieß es: „Jaul nicht, Sonja!“ Ich habe diesen Satz verinnerlicht. Ich habe ihn mir schon selber streng zugeflüstert, wenn es über mich gekommen ist, bei den Hothouse Flowers zum Beispiel, meiner Lieblingsgruppe. Zugegeben, ich hab' die Musik sehr laut gemacht, damit ich mich selber nicht so raushöre. Aber was soll ich machen? Mir fehlen zwanzig Jahre Übung, seit damals im Bad.

In der Zwischenzeit habe ich gelernt, daß man im Leben Dinge selbst in die Hand nehmen kann. Der Gedanke, wieso eigentlich nicht Gesangsunterricht nehmen, kam so mit den Freunden, die beneidenswerterweise Musik gemacht haben, allerdings noch zu einer Zeit, in der ich dachte, daß man etwas entweder hat oder nicht hat. Keine Frage, daß ich mich zur letzten Kategorie gezählt habe. Oberflächlich betrachtet. Im Inneren wuchs der Groll, durch meine Eltern einer kräftigeren Stimme beraubt worden zu sein. Aber weil ich viel telefonieren muß in meinem Beruf, hab' ich angefangen, meine Stimme zu senken, wenn ich offizielle Gespräche führe. Diesen bestimmten tiefen Klang am Telefon findet auch mein Freund gut.

Vielleicht hat er mir deshalb Gesangsunterricht geschenkt. Weil er mir zutraut, noch mehr im Umgang mit meiner Stimme zu lernen. Der Verdacht des Eigennutzes liegt andererseits glockenklar auf der Hand: Im Auto singe ich auch. Und da wir zwischen Heidelberg und Berlin pendeln, verbringen wir viel Zeit im Auto. Ich schaffe das singend. Er leidet doppelt. Denn Penelope schreit grundsätzlich, sobald sich der Wagen in Bewegung setzt (nicht nur meinetwegen!).

In Zukunft werde ich noch mehr singen. Ich muß ja meine Übungen machen, die Stimme trainieren, auf einem Ton halten, maaii,meeoo. Wobei man bei O den Mund zum E formt und beim E zum O. Erste Offenbarung in der zweiten Gesangsstunde (in der ersten gab es nur Atemübungen): Deswegen sang Heidi Brühl in den Siebzigern: „Mit siebzehn hat man noch Träumööö.“ Manchmal muß ich spontan loslachen, wenn ich allen Ernstes waff-waff-waff auf verschiedenen Tönen machen soll. Aber meine Heiterkeit entspricht eher einem spontanen Jubeln, weil ich mir Gesangsunterricht immer genau so vorgestellt habe und ich es noch nicht fassen kann, daß tatsächlich ich es bin, die dort steht und bellt. Solche Lockerungsübungen mache ich jetzt natürlich oft zu Hause, denn die sind am Anfang gewissermaßen das A (beim Sprechen ans I) und O (ans E denken).

Penelope schreit schon nicht mehr so eindringlich. Sie hat sich auf einen wundernden Blick und zurückgeklappte Ohren verlegt. Wahrscheinlich ist es ihr zuviel geworden, dauernd schreiend auf mich zuzurennen und selbstbewußt übersungen zu werden.

Tobias, mein Freund und Förderer, kommt heute aus der Schweiz zurück. Er hat mich schon telefonisch aufgefordert, ihm etwas vorzusingen, und hat anklingen lassen, daß ihm Björk gefällt. Ich fürchte, er erwartet ein Wunder. Aber schließlich fehlen mir zwanzig Jahre Übungen! Sonja Striegl