Waberndes Mißtrauen

■ Für eine Auszeit im Streit um die Diäten

Klaro, Mann, ey: Die Politfuzzis bedienen sich wieder einmal aus dem Staatssäckel. Oder in den Worten von Rudolf Augstein: Ein „kollektives Gaunerstück“ geht angeblich am Donnerstag im Bundestag über die Bühne, wenn eine Große Koalition von Union und SPD aus purer Geldgier schnell mal das Grundgesetz ändert.

Der hysterische und gezielt populistische Ton der Kritik an der Diätenreform trägt zur Klarstellung gar nichts bei.

Entgegen landläufiger Vorstellung gilt: Wer für den Bundestag kandidiert, tut das vor allem aus Geltungs- und Gestaltungsdrang und nicht des lieben Mammons wegen. Und wer erst einmal im Parlament angelangt ist, sitzt dort nicht faul herum, sondern ackert. Auch wenn die Ergebnisse dann nicht immer überzeugen.

Ohne leistungsgerechte Bezahlung wären nur weltfremde Idealisten zur Parlamentsarbeit bereit oder solche Menschen, die sich wegen Mißerfolgs im Berufsleben über Diäten freuen. Die repräsentative Demokratie verlangt, daß Abgeordnete gut bezahlt werden. Sie müssen dadurch, soweit das geht, gegen Abhängigkeiten geschützt werden.

Die Diätenreformer sind aber der populistischen Kritik ausgewichen, statt ihr offen zu begegnen: Die Angleichung an die Besoldung der Bundesrichter soll die leidige Geldfrage ein für allemal aus den Schlagzeilen nehmen. Parlamentarier, die nicht bereit sind, die Höhe der eigenen Bezahlung immer wieder öffentlich zu begründen, wecken Mißtrauen.

Die Diätenreform muß deshalb von der Tagesordnung des Bundestages abgesetzt werden. Sie wird nicht besser dadurch, daß nicht Geldgier, sondern Feigheit vor dem Souverän der eigentliche Grund für die umstrittene Grundgesetzänderung ist. Die Auszeit würde Gelegenheit zur rechtlichen Prüfung und für nötige Nachbesserungen und neue Regeln schaffen, wie sie in anderen westlichen Parlamenten schon lange üblich sind.

Ein Zwang zum Verzicht auf Nebeneinkünfte, wie ihn nun viele für die Abgeordneten fordern, ist nicht machbar – er würde bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel viele Selbständige, aus dem Bundestag ausschließen. Schuldig aber sind die Parlamentarier der Öffentlichkeit Informationen über Herkunft und Höhe ihrer Nebeneinkünfte. Mit der Bereitschaft zu deren Offenlegung könnten sie dem wabernden Mißtrauen wirksam begegnen, das der Bundestag am Donnerstag unbedingt bestätigen will. Hans Monath