Schutz und Strafe

■ Vergewaltigung: Die Ehe bleibt weiter geschützt

„Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist unteilbar. Es wird durch die Eheschließung weder eingeschränkt noch beseitigt.“ Vollmundig legte sich die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Anfang des Jahres ins Zeug, als sie ihren Gesetzentwurf zur Vergewaltigung in der Ehe präsentierte. Was seit gut zwanzig Jahren immer wieder von der Frauenbewegung eingeklagt wurde, sollte endlich strafrechtliche Wirklichkeit werden. Ehemänner sind eben auch nur Männer. Und die sind – so das Credo der Feministinnen – zunächst einmal potentielle Vergewaltiger.

Die Sätze, die die Justizministerin damals fand, sind nun der Kompromißlerei von Unions- und FDP-Fraktion zum Opfer gefallen. Und auch für den Fall, daß eine Ehe noch zu retten ist, hat man eine Hintertür offengehalten. Vergewaltigte Ehefrauen können jederzeit Stop rufen, und schon werden alle Ermittlungen gegen den gewalttätigen Gatten eingestellt. Immerhin gilt es, die Institution Ehe unter allen Umständen zu schützen. Kein Wunder also, daß Unions-Politiker aufheulten, als sie von der sogenannten Versöhnungsklausel im Entwurf der Justizministerin hörten. Hieß es da doch, ein Gericht könne von Strafe absehen, wenn dadurch die „eheliche oder eheähnliche Bindung“ gerettet werden könnte. Hintenrum, so die Beschwerde, versuche die FDP damit, gleichgeschlechtliche oder nichteheliche Beziehungen mit der Ehe gleichzustellen. Die Versöhnungsklausel ist verschwunden, die Ehe gerettet.

Andere Ansätze zur Reform des Sexualstrafrechts haben selbst bei der Union Gehör gefunden. Immerhin scheint es jetzt auch in diesen Kreisen vorstellbar, daß Männer zu Opfern sexueller Gewalt werden können. Opfer und Täter sind in diesem Fall in der Regel beide männlichen Geschlechts. Ebenso findet allmählich die Forderung von Feministinnen Gehör, den Unterschied zwischen Vergewaltigung und sexueller Nötigung aufzuheben. Für die Opfer macht es selten einen Unterschied, ob sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen werden oder zu oralen sexuellen Handlungen.

„Die Ehe ist kein sexueller Selbstbedienungsladen“, erklärte schon 1992 ein Richter am Münchener Amtsgericht. Und verurteilte einen Ehemann wegen Vergewaltigung seiner Frau. Was da nach jahrzehntelanger Debatte zaghaft Eingang in die deutsche Rechtsprechung fand, ist allerdings immer noch nicht Gesetz. Ob es das je wird, hängt nun ganz von den Hardlinern aus den Reihen der CDU/CSU ab. Karin Flothmann