Große Koalition der Abzocker

■ CDU und SPD wollen am Donnerstag eine Grundgesetzänderung zur Diätenerhöhung durchziehen

Bonn (taz) – Die Große Koalition zwischen machtbewußter Union und dahinsiechender SPD steht – wenn es um den Geldbeutel der Abgeordneten geht. Die beiden großen Volksparteien sind sich einig, mit ihrer Mehrheit im Bundestag am Donnerstag eine Grundgesetzänderung zu beschließen. Dadurch sollen die Abgeordnetenbezüge an die Besoldung von Bundesrichtern gekoppelt werden, was einen kräftigen Aufschlag bedeutet: rückwirkend vom 1. Januar 1995 bis 1998 von 10.366 Mark auf knapp 14.000 Mark Basisgehalt. Über die Höhe der Richterbesoldung entscheidet jeweils die Bundesregierung, üblicherweise in Anlehnung an die Gehälter im öffentlichen Dienst. Die Basis-Kostenpauschale für Abgeordnete von derzeit rund 6.000 Mark soll in Zukunft automatisch der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt werden.

Der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch kritisierte das beabsichtigte „Durchpeitschen“ der Grundgesetzänderung. Die FDP-Fraktion kündigte nach einem Koalitionsgespräch beim Kanzler gestern an, daß sie gegen die Vorlage stimmen. Nach den Vorstellungen der Liberalen soll eine unabhängige Kommission, die beim Bundespräsident angesiedelt ist, die Diäten überprüfen und Empfehlungen geben. Der Bundestag soll dann über das Votum dieser Kommission entscheiden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Joachim Hörster, warf den Liberalen vor, es gehe ihnen in Wahrheit darum, eine Verkleinerung des Bundestages zu verhindern. Gemeinsam mit der Diätenreform soll der Bundestag nämlich die Einsetzung einer Kommission beschließen, die bis zum Frühjahr 1997 Vorschläge für die Verkleinerung des Parlaments vorlegen soll. Die Erhöhung der Diäten und die Grundgesetzänderung sind jedoch keinesfalls an die Verringerung der Abgeordnetenzahl gekoppelt, wie Abgeordnete die Öffentlichkeit gern glauben machen wollen.

Neben Bündnis 90/Die Grünen und FDP will auch die PDS gegen das Gesetz stimmen. Für eine Grundgesetzänderung sind 448 Stimmen (Zweidrittelmehrheit) nötig. Union und SPD verfügen gemeinsam über 593 Abgeordnete.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung hegen inzwischen immerhin auch einzelne Mitglieder der SPD-Fraktion. Die Verfassungsänderung halte er „zumindest für problematisch“, sagte Norbert Gansel gestern. Wie andere SPD-Abgeordnete verwies Gansel darauf, daß er den fertigen Gesetzentwurf noch nicht kenne.

Rund 150 Abgeordnete haben sich inzwischen einer Initiative angeschlossen, die alle Parlamentarier zur Offenlegung über Höhe und Quelle der Einkünfte und Nebenverdienste verpflichten will. „Die Beteiligung von einem Viertel der Abgeordneten zeigt, daß wir mit unserer Forderung keine Randgruppe sind“, sagte der SPD-Abgeordnete Peter Conradi, der gemeinsam mit Gansel die Initiative gestartet hatte.

Der Verwaltungswissenschaftler Hans Herbert von Arnim erneuerte gestern seine Kritik. Auch nach Anpassung der Diäten an Richtergehälter bleibe der Vorwurf der Selbstbedienung, weil die Abgeordneten schließlich selbst über die Erhöhung dieser Bezüge entschieden.

Der Bundesrat wird voraussichtlich nicht schon am Freitag, sondern erst am 13. Oktober über die Diätenreform beraten. mon/ci

Was Abgeordnete verdienen – Seite 4