Sausäcke in Löchern

■ Schmidts Tivoli: Die Missfits als rollige Alte in „Wo niemand wartet“

„Ich seh' schon überall nur noch Alte und alle unheimlich gut ,drauf“, schluchzt Mattas 40jährige Tochter. Was in der Realität den Frust mancher Altenpflegerin lindern könnte, bringt im Kabarettprogramm Wo niemand wartet die Töchter zweier rolliger Alten komplett aus der Fassung. Statt mausgrau und tatterig dem Abgang von der Bühne des Lebens entgegenzusehen, hauen die Ruhrpott-Omas Matta und Lisbeth alias die Missfits Stephanie Überall und Gerburg Jahnke nämlich noch mal so richtig auf die Kacke. Dabei brechen sie Tabus wie Alterssex, Sterben und öffentliche Toiletten.

Zartbesaitete Gemüter kommen bei Matta und Lisbeth zu kurz. Die Erbinnen eines Beerdigungsinstitutes teilen die Männer, die sie unter die Erde bringen, in „Schadedrums“, „Sausäcke“ und „Fiese Möps“. Regelmäßig gehen die alten Schachteln auf den Friedhof „Löcher gucken“, die sich jenseits der Bühnenrampe imaginär im Publikum befinden, und klassifizieren die Kerle. Mit ihren Krückstöcken fuchteln sie in die Ferne – sollen sich die anwesenden Zuschauer ruhig angesprochen fühlen.

Doch auch die Damen im Publikum bekommen ihr Fett weg. „In Wirklichkeit sind nämlich die Frauen die wahren Schweine“, erklärt Gerburg Jahnke als Klofrau und ehemalige Kabarettistin. Daß sie blutige Binden, Bananen und Gurken liegen ließen, sei nicht mehr der Aufregung wert, aber zwei Kohlrabi, ungeschält?

Die wahren Ausschweifungen, sie werden erzählt. Die Phantasie des Publikums besorgt den Rest. Vermeintliche O-Töne dringen aus dem Off, wenn die Totenwachen für die jüngst Verblichenen in Parties ausarten, zu deren Höhepunkten „Flaschendrehen“ und „Strip-Poker“ zählen.

Ein Großteil der Szenen sitzen Matta und Lisbeth – Spitzenhöschen runter auf dem gar nicht stillen Örtchen; vorzugsweise einen Eierlikör zwitschernd. Ihr Trinkspruch „Prostata“, den Stephanie Überall mit Hyänenlachen herausprustet und Gerburg Jahnke zum kauzigen Schulterhochziehen veranlaßt, ist auch beim Publikum der schiere Brüller. Trotzdem: schlüpfriger Frauenwitz vor ernstem Hintergrund ist meilenweit entfernt von hirnlosen Stammtischzoten. Ute Brandenburger

Bis 24.9., Schmidt's Tivoli