Vulkan-Liquiditätsprobleme sind größer

■ Tochterfirmen sollten Millionenkredite anschaffen / Beckmeyer-Interview schlägt Wellen

Der Bremer Vulkan kommt nicht zur Ruhe. Vor zwei Wochen haben vor allem die am Vulkan-Verbund beteiligten Banken auf die Ablösung des Vorstandschefs Friedrich Hennemann gedrungen. Der Vorwand, der den Stein ins Rollen gebracht hat: Ein Liquiditätsengpaß von 300 Millionen Mark, die Banken sollten dem Konzern aus der Patsche helfen – was sie auch taten, aber erst, nachdem Hennemanns Abschied auf Raten beschlossene Sache war. Nun herrscht gleich wieder doppelte Unruhe um die Zukunft des angeschlagenen Konzerns. Zum einen, weil Arbeits- und Häfensenator Uwe Beckmeyer in den Bild-Zeitung gestern ein vollmundiges Interview verbreiten ließ. Kostprobe: „Wir haben ein Unterweser-Konzept ausgearbeitet.“ Und das, obwohl der Senat, nachdem er zu Wochenanfang das Unterweser-Konzept, das der Vulkan erarbeitet hatte, auf den Tisch bekam, Stillschweigen vereinbart hatte.

Vor allem aber: Der „Stern“ hat in seiner letzten Ausgabe etwas gemeldet, ihm lägen Kopien von Schreiben der Vulkan-Zentrale an die Tochterfirmen vor, in denen diese angewiesen würden, sich um Millionenkredite bei ihren jeweiligen Hausbanken zu bemühen und dann das Geld in die Konzernzentraleweiterzureichen. Das wäre ein Indiz dafür, daß die Liquiditätsprobleme des Vulkan möglicherweise doch größer sind als 300 Millionen Mark. Der Vulkan schweigt dazu: „Wir kommentieren grundsätzlich keine internen Vorgänge“, sagte gestern ein Konzernsprecher zur taz.

Die Nervosität über die Zukunft des Vulkan wächst spürbar in Bremen. Das lange angekündigte Rettungspapier für die Unterweser-Werften im Vulkan-Verbund ist da, doch es bleiben eine ganze Menge von Fragezeichen, insbesondere beim zentralen Punkt der Finanzierung. Nach Hennemann müßten mit insgesamt 250 Millionen Mark Investitionsmitteln die Bremer Vulkan-Werft, Schichaus Seebeck und die Lloyd-Schiffsreparatur, beide in Bremerhaven, wettbewerbsfähig gemacht werden. 130 bis 150 Millionen Mark sollen über Grundstücksverkäufe und Landesbürgschaften und zu einem geringeren Teil über Barmittel aus dem Landeshaushalt kommen. Die restlichen 100 Millionen entfielen auf den Konzern selbst. Bleiben nur zwei Fragen: Machen die Wettbewerbskontrolleure der EU eine derart massive staatliche Einmischung mit?

Und: woher soll der Vulkan das Geld nehmen? Kaum jemand in der Stadt glaubt, daß der Konzern nach dem gerade überwundenen Liquidiitätsengpaß das Geld auf der hohen Kante hätte. Und ob die Banken, insbesondere die Commerzbank, dabei mitmachen, das ist längst nicht ausgemachte Sache. Der Großbank wird nämlich hartnäckig nachgesagt, sie hätte wegen ihrer Beteiligungen an Hamburger und Schleswig-Holsteiner Werften mehr Interesse an einem nationalen Werftenverbund, bei dessen Installierung der Vulkan schlicht im Wege sei. So hartnäckig diese Spekulationen sind, so hartnäckig werden sie von der Commerzbank dementiert.

Die Lage ist einigermaßen verworren, sicher scheint dabei nur, daß der Vulkan-Verbund in argen Finanznöten steckt. In so argen, daß sich die Konzernherren für einen tricky Umweg entschieden haben. Was der „Stern“ vorliegen hat, das sind Dokumente eines ziemlich ungewöhnlichen Kreditbeschaffungsmodells: Der Konzern-Mutter geht es schlecht, sollen die Töchter Kredite besorgen. Parallel zu seinen Bemühungen, bei den Banken selbst einen 300-Millionen-Überbrückungskredit herauszuhandeln hat der Vulkan-Verbund seine Tochterunternehmen angewiesen, Millionenkredite aufzunehmen, „und uns, der Bremer VulkanVerbund AG, zur Verfügung zu stellen“. Kopierte Schreiben, in denen die jeweils gewünschte Kreditsumme per Hand eingetragen wurde. Ob diese Operation gestoppt wurde, nachdem die 300 Millionen Mark an den Konzern geflossen sind, dazu wollte gestern niemand aus dem Konzern Stellung nehmen.

Mitten in diese unsicheren Lage, deren Dramatik von allen Beteiligten in den dräuendsten Farben gezeichnet wird, platzte gestern ein Interview der Bild-Zeitung mit dem Arbeits- und Häfensenator Uwe Beckmeyer. Überschrift: „So rette ich die Bremer Werften“. Im Text verrät Beckmeyer dann auch noch die eine oder andere Zahl und Details aus dem Konzept, und ganz nebenbei redet er gerne von einem „Wir“, das die Werften rettet.

Die Reaktionen waren eindeutig: Von der Regierungskoalition bis zur Opposition, alle Welt ist vergräzt über den unerwarteten Vorstoß. Am Dienstag abend hatte Wirtschaftssenator Perschau die wirtschaftspolitischen SprecherInnen der Bürgerschaftsfraktionen über das Unterweserkonzept des Vulkan informiert. Morgen wollen sich Bürgermeister Scherf, Wirtschaftssenator Perschau, Finanzsenator Nölle und Häfensenator Beckmeyer mit Fachbeamten und einem Mitarbeiter der Unternehmensberatungsgesellschaft Treuarbeit zusammensetzen und die Tragfähigkeit der Hennemann-Ideen diskutieren. Bis dahin sollte über das Konzept öffentlich geschwiegen werden, so war die Vereinbarung. Daß Beckmeyer nun vorgeprescht ist, das wird ihm morgen reichlich Beulen einbringen.

Die ersten gab es gestern schon. „Das seriöseste an dem Interview ist der Anzug von Beckmeyer“, kommentierte Elke Kröning von der AfB. Aber schließlich werde am Sonntag in Bremerhaven gewählt. „Blankes Wahlkampfgetöse. Wie immer bei dem Mann: alles voller Sprechblasen.“ Nicht minder empört haben die Grünen reagiert. „Eine Unverfrorenheit, das als sein Konzept zu verkaufen“, donnerte Ralf Fücks. Mit seinen Äußerungen provoziere Beckmeyer geradezu das Mißtrauen der EU, und das, obwohl das Konzept längst noch nicht auf sicheren Füßen stehe. „Schlimmer als bei der Ampel.“ Und selbst die CDU nahm kein Blatt vor den Mund. Beckmeyer betreibe „kurzfristige Effekthascherei auf dem Rücken der betroffenen Werftarbeiter“, kommentierte der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Michael Teiser, Bundestagsabgeordneter für Bremerhaven. Beckmeyer „verläßt ein seriöses Verfahren und gefährdet durch seine öffentlichen Äußerungen insgesamt das Unterweser-Konzept.“ Die SPD äußerte sich vorsichtshalber lieber nicht zu den Eskapaden ihres Bremerhavener Super-Wahlkämpfers.

Beckmeyer selbst kann den Wirbel um ihn überhaupt nicht nachvollziehen. Für die Überschrift in der Bild-Zeitung könne er nichts, und im übrigen hätten alle von ihm genannten Zahlen schon am Dienstag in der Nordsee-Zeitung gestanden. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagte er gestern. Hat er aber doch, denn so ganz stimmt seine Version der Geschichte eben nicht, das beweist ein Blick in die Nordsee-Zeitung. Da standen nämlich ganz andere Zahlen. J.G.