Überfall auf einen Lehrer mitten im Unterricht

■ Zwei Unbekannte schlagen einen 42jähriger Lehrer nieder und verletzen ihn. Die Täter verlassen den Klassenraum, ohne daß die Schüler eingreifen. Polizei ermittelt

Jürgen H., Lehrer am zweiten Oberstufenzentrum Neukölln, wurde vergangene Woche von zwei Unbekannten während des Unterrichts niedergeschlagen und mit Fäusten, Schlagring und „Totschläger“ erheblich verletzt. Die Bilanz: Platzwunde, Gehirnerschütterung, schwere Prellungen und Blutergüsse.

Der 42jährige Pädagoge unterrichtet in der Friedrichshainer „Filiale“ des Oberstufenzentrums Sozialkunde und Mathematik. Als die beiden jungen Männer in den vollbesetzten Klassenraum stiefelten, hätte er sich zuerst nichts dabei gedacht, erinnert sich der Lehrer. Sie seien zielsicher auf ihn zugegangen, er nahm deshalb an, es handelte sich um Schüler der Berufsschule.

Auf seine Frage, was sie wollten, antworteten sie, daß sie „vom Sekretariat“ kämen. „Plötzlich schlug der eine auf mich ein“, erzählt der Lehrer. „Als ich mich dann zu wehren begann, griff der andere mit einem ,Totschläger‘ von hinten an.“ Die anwesenden Schüler – alles Auszubildende des Maler- und Lackiererhandwerks – hätten zugeschaut. „Geholfen hat mir keiner“, sagt der Lehrer. Erst als er blutüberströmt die Schüler aufgefordert habe, etwas zu unternehmen, seien die Angreifer geflohen. Nach Aussage des Lehrers hat die Klasse mit dem Anschlag nichts zu tun.

Motiv für diesen Überfall, glaubt Jürgen H., könnten politische Themen sein, die im Unterricht behandelt wurden. In den Klassen seien Schüler verschiedener internationaler Herkunft vertreten. Die meisten hätten zwar einen deutschen Paß, aber ihre Herkunftsländer wie Ex-Jugoslawien, Türkei, Tschechien oder Polen würden reichlich Zündstoff bieten. Zwei äußerst brisante Themen könnten den Angriff provoziert haben. Einerseits die türkisch-kurdische Problematik, andererseits die Situation im ehemaligen Jugoslawien, vermutet das Opfer.

Einen Tag vor dem Überfall habe er in einer Klasse über den Feldzug der Kroaten und die Vertreibung der Kraijna-Serben gesprochen und ein solch „imperialistisches“ Vorgehen verurteilt. Das habe einen Schüler kroatischer Herkunft in Rage gebracht. Das könnte beispielsweise ein Motiv sein, spekuliert er. Er sei sich sicher, daß der Angriff ihm gegolten habe und kein Zufall gewesen sei. Schulleiter Claus-Peter Wündisch und das gesamte Kollegium sind immer noch erschüttert. Es sei an seiner Schule noch nie vorgekommen, daß ein Lehrer tätlich angegriffen wurde, betont der Direktor. Und es hätte schon eine neue Qualität, wenn zwei junge Leute ganz offen und unmaskiert einen solchen Überfall verübten und danach ganz einfach wieder verschwinden. „Niemand kennt sie, niemand weiß woher sie kamen.“

Auch Schulleiter Wündisch geht davon aus, daß dieser Überfall gezielt und geplant diesem Lehrer gegolten habe. Er und sein Kollegium vermuteten, sagt der Direx, daß es sich um Profis gehandelt hat.

Wie die Polizeipressestelle gestern mitteilte, werde ermittelt, aber es gäbe noch keinerlei Hinweise auf die Täter. Michaela Eck