Ablaßhandel à la Greenpeace

■ betr.: „Greenpeace: Laß uns die drei Liter teilen, Baby“, taz vom 9./10. 9. 95

Seit zirka 15 Jahren bin ich ohne Auto. Immer wenn ich kurz davor stand, den sexistischen oder technologischen Verlockungen der Autoindustrie nachzugeben, drohte das ökologische Modul meines Gewissens eine unheilige Allianz mit der Galle einzugehen. Mein Arsch hat mittlerweile Schwielen vom Radeln und meine Ellenbogen sind wund vom Drängeln im Bus. Aber damit ist jetzt Schluß. Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Nicht etwa die Argumente der Autoindustrie haben mich überzeugt – das wäre unter Niveau! –, sondern deren neue Image-Politur war's. Mit Hilfe des Greenpeace-Alibis leidet mein Ansehen selbst dann nicht, wenn ich mit dem Drei-Liter-sind-doch- absolut-unbedenklich-Auto zum Vereinslokal meiner ökologischen Selbsterfahrungsgruppe fahre.

[...] Bei meinem Kumpel Ferdi springt die Freude über die ökologischen Neuigkeiten geradezu im Fünfeck. Ferdi spendet nämlich auch, weil er voll auf Umwelt steht. Aber manchmal hat er Probleme mit seinem alten Golf. Nein, nein, nicht mit dem Motor, sondern – nun ja – mit der Rechtfertigung, denn die ist (noch nicht) serienmäßig eingebaut. Aber drei Liter? Das ist ja nichts! Allerdings zwei Liter sind noch weniger (als nichts). Drei plus zwei macht fünf. Mehr schluckt Ferdis Golf auch nicht. Siehste, von wegen nicht immer mit dem Wagen Brötchen holen und so ...

Greenpeace ist sein Geld wert. Selbst alle nichtspendenden Autofahrer, die sich sonst mit unnötigen Gewissenskonflikten quälen und sogar die Autoindustrie haben etwas davon. Besser kann der Ablaßhandel nicht mal vor Luthers Kirchentür-Nummer in Wittenberg funktioniert haben.

Spaß beiseite. Nein, ich werde den Dreiliterfetisch nicht kaufen, auch wenn sich auf seiner Motorhaube diesmal anstelle der vollbusigen Blondine ein blauer Engel (vielleicht T. Bode persönlich?) mit grünem Punkt räkelt. Statt dessen kündige ich Greenpeace die (geistige) Freundschaft und Unterstützung. Niko Paech, Osnabrück