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Die Türkei spielt Rechtsstaatlichkeit

■ Revisionsverhandlung gegen kurdische Abgeordnete

Istanbul (taz) – Vor dem obersten türkischen Revisionsgericht beginnen heute die Verhandlungen über das Urteil des Staatssicherheitsgerichtes vom Dezember vergangenen Jahres, aufgrund dessen mehrere kurdische Abgeordnete der mittlerweile verbotenen Partei der Demokratie (DEP) im Gefängnis einsitzen. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten Berufung eingelegt. Die Freilassung der inhaftierten kurdischen Abgeordneten gehört zu den Forderungen des Europäischen Parlaments, um die Aufnahme der Türkei in die Europäische Zollunion zu bestätigen.

Anfang März vergangenen Jahres hatte das türkische Parlament die Immunität von acht kurdischen Abgeordneten aufgehoben. Zuvor waren die kurdischen Parlamentarier von der türkischen Ministerpräsidentin Tansu Çiller als Mitglieder der illegalen Guerillaorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) denunziert worden.

Nach Aufhebung der Immunität wurden die Abgeordneten beim Verlassen des Parlamentsgebäudes festgenommen. Im Juni wurde die DEP durch das Verfassungsgericht verboten, und mehrere Abgeordnete, die sich noch auf freiem Fuß befanden, flohen nach Europa. Das Urteil des Staatssicherheitsgerichtes vom Dezember vergangenen Jahres, das heute zur Revision ansteht, war geprägt von Rachegefühlen gegen die kurdischen Abgeordneten, die versucht hatten, kurdische Interessen im Parlament zu vertreten. Als Mitglieder einer „illegalen Organisation“ wurden Dicle, Zana, Türk und Dogan zu fünfzehnjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Sedat Yurttas erhielt eine siebeneinhalbjährige Gefängnisstrafe, während Alinak und Sakik, die sich mittlerweile auf freiem Fuß befinden, eine dreijährige Gefängnisstrafe bekamen.

Die Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichtes, angeführt von dem berüchtigten Staatsanwalt Nusret Demiral, fordert eine minimale Erhöhung des Strafmaßes gegen die Abgeordneten Alinak und Sakik, die sich ohnehin auf freiem Fuß befinden, während bei einigen Strafmilderung gefordert wird – juristische Spitzfindigkeit: So soll Orhan Dogan nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nicht wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation“, sondern wegen „Hilfsleistungen an eine illegale Organisation“ verurteilt werden. Türk und Yurttas sollen nur nach dem Paragraphen 8 des Antiterrorgesetzes wegen „separatistischer Propaganda“ belangt werden. Die Urteile gegen Zana, Dicle und Sadak sollen dagegen aufrechterhalten werden.

Der Regierung wäre es außenpolitisch nur recht, ließe sich das Gericht auf die Argumentation der Staatsanwaltschaft ein. Mehrere Abgeordnete kämen frei, weil sie, der milderen Anklage folgend, ihre Haftzeit bereits abgesessen hätten, man könnte die Rechtsstaatlichkeit hochleben lassen, aber die als „radikal“ Verrufenen – allen voran Leyla Zana und Hatip Dicle – blieben weiter hinter Gittern. Ömer Erzeren

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