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Union und SPD verteidigen Diätencoup mit Grundgesetzänderung. Nebeneinkünfte bleiben weiter geheim. FDP spielt den Wahrer der Verfassung  ■ Aus Bonn Hans Monath

Bonn (taz) – Der parlamentarische Geschäftsführer der größten Bundestagsfraktion klang wie ein Angeklagter beim Schlußplädoyer: „Wir erbitten uns eine faire Behandlung“, appellierte Joachim Hörster (CDU) gestern in Bonn an Journalisten und Öffentlichkeit. Angesichts der öffentlichen Empörung über die Diätenpläne verteidigte Hörster gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Peter Struck gestern die Grundgesetzänderung zur Anhebung der Parlamentarierbezüge, die eine Große Koalition von Union und SPD heute im Bundestag beschließen will. Während die Diäten künftig automatisch steigen, sollen die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten weiterhin geheim bleiben.

Hörster und Struck bestritten vor allem die Vorwürfe, die Diätenreform werde „im Schnellverfahren durchgepeitscht“ und bedeute einen Verfassungsbruch. Über die Reform sei seit fünfJahren in Kommissionen und Bundestagsgremien diskutiert worden. Die Presse habe über die Ergebnisse ausführlich berichtet, sagte der CDU-Politiker. „Die Karten haben alle auf dem Tisch gelegen.“ Mit Ausnahme des Verwaltungswissenschaftlers von Arnim kenne er auch keinen Rechtsprofessor, der den Vorwurf des Verfassungsbruchs teile. Die Verfassungsänderung zur Ankoppelung der Diäten an die Bezüge von Bundesrichtern nannte Hörster „die sauberste Lösung“.

Beide Politiker wiesen auch den Vorwurf zurück, der geplante Automatismus gewährleiste keine Transparenz, sondern entziehe die Höhe der Diäten einer einfachen Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Eine Versicherung, daß die Abgeordnetenbezüge jedes Jahr im Gesetzestext in absoluten Zahlen niedergeschrieben werden, wollte aber keiner von beiden abgeben. „Ich hätte nichts dagegen“, erklärte Struck lapidar, Hörster wollte „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ darüber keine Aussagen treffen.

Nicht garantieren konnten die beiden Spitzenpolitiker gestern auch, daß mit der Diätenreform zwangsweise auch die angekündigte Verkleinerung des Parlaments um rund 100 Abgeordnete verbunden ist. Mit dem Argument, für einen kleineren Bundestag mit besser bezahlten Abgeordneten müsse der Steuerzahler nicht mehr Geld aufbringen, hatte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth für die Reform geworben.

Als Wahrer der Verfassung präsentierte sich gestern wieder die FDP. Während Hörster erklärte, in den Gremien habe bis vor kurzem Einigkeit über die Diätenreform geherrscht, sagte FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms, von einer „plötzlichen Profilierungsaktion“ seiner Partei könne keine Rede sein. Seit Jahren verlangten die Liberalen, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die die Höhe der Abgeordnetenbezüge festlegen solle.

Werner Schulz, parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, erklärte, seine Fraktion sei lediglich für eine „moderate Erhöhung“ der Diäten zu haben. Die Änderung des Grundgesetzes nannte Schulz verfassungsrechtlich zumindest fragwürdig. Die vorliegende „dürftige Parlamentsreform, die sich mehr oder weniger um die Diätenerhöhung rankt“, trage auch nicht zu dem Ziel bei, die Attraktivität und Effizienz des Parlaments zu steigern. Statt dessen würden die Oppositionsrechte weiter gegenüber denen der Regierung eingeschränkt.

Offensichtlich wenig Chancen auf Erfolg hat der Versuch der beiden SPD-Abgeordneten Norbert Gansel und Peter Conradi, die Angehörigen des Parlaments zur Aufdeckung von Höhe und Herkunft ihrer Nebeneinkünfte zu verpflichten. Weder Hörster noch Struck wollen die Initiative, die von 150 Abgeordneten unterstützt wird, ihren Fraktionen empfehlen.

Nebeneinkünfte gehörten zur Privatsphäre, argumentierte Hörster, für eine Offenlegung bestehe kein Anlaß. Die Abgeordneten könnten „nicht alles und jedes decouvrieren“. In der SPD-Fraktion war ein Antrag gescheitert, die Zustimmung zu der Diätenerhöhung von der Bekanntgabe aller Nebeneinkünfte abhängig zu machen.

Nach dem Willen von Union und SPD werden die Diäten von derzeit 10.366 Mark schrittweise einschließlich aller Zulagen auf das Niveau der Bezüge von Richtern an einem obersten Bundesgericht herangeführt.

Im Jahr 2000 sollen sie somit zwischen 15.000 und 16.000 Mark monatlich betragen. Anschließend sollen sie automatisch mit den Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst steigen.