In der Zwickmühle zwischen zwei Männern

■ Die hessische Superministerin Iris Blaul ist überraschend zurückgetreten. Nach diversen Fettnäpfchen wurde ihr eine Personalentscheidung zum Verhängnis. Aus Frankfurt Heide Platen

In der Zwickmühle zwischen zwei Männern

Das Fax kam um 10.30 Uhr aus dem Hessischen Umweltministerium und stellte lapidar fest, daß die für 14 Uhr anberaumte Pressekonferenz ausfalle. Da war die Chefin schon eine halbe Stunde zurückgetreten. Die Gallionsfigur der Grünen und Superministerin, seit 1991 im Amt und seit April 1995 außer für Jugend, Gesundheit und Familie auch für die Ressorts Energie und Umwelt zuständig, warf das Handtuch und kündigte gleichzeitig dem von ihr berufenen Staatssekretär Johannes Schädler das Vertrauen auf.

Schon einmal hatte Blaul eine unglückliche Hand gehabt. Damals entließ sie ihre Staatssekretärin Brigitte Sellach. Die streitbare Feministin aus Frankfurt galt als Bauernopfer der als führungsschwach eingeschätzten Ministerin. Statt dessen stand ihr dann der als Getreuer des damaligen Umweltministers Joschka Fischer und unter der Hand als Aufpasser eingeschätzte Alexander Müller zur Seite. Die Frauen- und Familienpolitik, frotzelten damals KritikerInnen, werde seither extern gemacht und darauf geachtet, daß Blaul künftig Fettnäpfchen vermeide. Als sie dann in Nachfolge des ins Justizministerium wechselnden Rupert von Plottnitz im Frühjahr dessen Haus am Bahnhof übernahm, hatte es – wie schon vor ihrem ersten Amtsantritt – im Vorfeld wieder grüne Streitereien gegeben, bei denen sich Blaul gegen parteiinterne, männliche Konkurrenz durchsetzte. Die Fischer- Crew hätte statt dessen lieber ein „hartes Ressort“ wie das Innenministerium übernommen.

Bei dem internen Ämtergerangel war es immer wieder zu Indiskretionen über Blaul gekommen und zu Behauptungen, sie sei „ihrem Amt nicht gewachsen“. Dabei spielten ein Autounfall, bei dem sie ihren Wagen zu später Stunde in einen Graben gesetzt hatte, und die bei der vorausgegangenen Weihnachtsfeier genossenen alkoholischen Getränke eine ungeklärte Rolle. Feministinnen griffen sie an, weil sie Frauenprojekten einen harten Sparkurs verordnete. Als sie zwangsweise Sportplätze schloß, um die mit Kieselrot vergifteten Böden austauschen zu lassen, machte sie sich beim Koalitionspartner SPD unbeliebt, die sich vor dem Zorn ihrer Wählerklientel fürchtete. Die Opposition wiederum forderte 1992 ihren Rücktritt, weil vor den überfüllten Asylunterkünften Menschen in Zelten untergebracht werden mußten. Sie bekomme, so der Vorwurf, „das Chaos nicht in den Griff“.

In die Schußlinie der Opposition war die 39jährige Sonderpädagogin Blaul vor einigen Monaten wieder geraten, weil ihr Lebensgefährte Wenzel Mayer, Leiter der Zentralabteilung, im Umweltministerium arbeitete, als sie es übernahm. Bei dieser „Liebe im Büro“ sahen Christdemokraten Interessenkonflikte voraus. Blaul dementierte und teilte mit, daß ihr Partner erst versetzt werden könne, wenn eine geeignete Stelle frei sei. Solange müsse er, um Kosten, zum Beispiel durch Beurlaubung zu vermeiden, geduldet werden. Daß sich die Versetzung Mayers hinzog, war auch bei den Grünen und der SPD auf vorsichtige Kritik gestoßen.

Daß sie jetzt an Schädler scheiterte, lag – so Blaul in ihrer Rücktrittserklärung – an ihrer eigenen falschen Personalentscheidung: „Für das Entstehen der Situation übernehme ich die volle politische Verantwortung.“ Der vorher im karitativen Bereich tätige Schädler hatte sich, so war zu hören, vor allem mit dem Zentralabteilungsleiter Mayer überworfen. Er habe sich isoliert und „nicht wohl“ gefühlt. Letzter Auslöser sei ein Brief von Schädler an die Landtagsfraktion der Grünen gewesen, in dem er sich über Blaul beschwerte. Gehen wollte er aber auch nicht freiwillig, so Blaul. Seine Entlassung, so die Ex-Ministerin, werde das „Land viel Geld“ kosten, Pensionskosten über Jahre hinaus. Das stelle ihre eigene Glaubwürdigkeit in Zeiten des Sparens in Frage. In der Tat ist sie durch das Zerwürfnis mit Schädler in eine Zwickmühle geraten. Sie hätte ihn schwer zu den gleichen hohen Folgekosten entlassen können, mit denen sie vorher die Amtsentfernung von Wenzel Mayer abgelehnt hatte.

Iris Blaul ist eine der „Grünen der ersten Stunde“ und war im Dezember 1982 eine der ersten Abgeordneten im Landtag. Verdient hatte sie sich 1988 gemacht, als sie den hessischen Diätenskandal öffentlich machte, bei dem sich Parlamentarier Luxusdiäten und Übergangslösungen genehmigt hatten und ihr Salär per Verabschiedung eines neuen Gesetzes noch erhöhen wollten. Mit dem Taschenrechner, heißt es, hatte sie den Entwurf in ihrer Küche nachgerechnet und war dabei auf Gesamtzulagen in zweistelliger Millionenhöhe gekommen. Der Landtag schäumte. Iris Blaul wurde „Nestbeschmutzerin“ geschimpft und „verlogen“ genannt, ehe ihr der Verfassungsrechtler Herbert von Arnim Schützenhilfe gab. Wohl auch in Erinnerung daran nannten Kommentatoren ihren Rücktritt gestern „mutig und konsequent“, denn die damals erlassenen strengeren Regeln machen heute ihren Rücktritt billiger als den Rausschmiß des Staatssekretärs. Daß schon gestern vormittag der Name einer Nachfolgerin, Margarethe Nimsch, genannt wurde, überraschte auch Insider.