Japan ohne neue Ideen?

■ Milliarden wider die Modernisierung

Von weitem sieht alles ganz anders aus, doch bei näherem Betrachten ist vieles ganz ähnlich: Japan, obgleich Weltmeere entfernt und mit grundverschiedenem Kulturhintergrund, kämpft heute mit den gleichen Wirtschaftsproblemen wie Deutschland. Darüber darf auch das gewaltige Konjunkturprogramm nicht hinwegtäuschen, das die japanische Regierung am Mittoch bekanntgab und mit dem sie manchem deutschen Sozialdemokraten vermutlich die Tränen in die Augen trieb. Denn wie schön wäre es nach den Vorstellungen der Keynesianischen Theorie, wenn auch hierzulande der Staat noch 200 Milliarden Mark fürs Wohlergehen der Wirtschaft auf den Tisch legen könnte. Aber hüten wir uns davor, diese Situation herbeizuwünschen.

Das japanische Beispiel ist nämlich eher ein abschreckendes: Irre Summen gibt dort der Staat für die Wirtschaft aus, doch wo und für wen? Hoch subventionierte Bauern und gigantische Baukonzerne sind in den kommenden Monaten die bevorzugten Abnehmer des Tokioter Maßnahmenpakets – ein politisches Armutszeugnis für eine Regierung, der bisher im Westen eine intelligente staatliche Industriepolitik nachgesagt wurde. War das Miti also doch nur ein Mythos? Nicht ganz. Wenn alsbald in deutschen Wohnstuben die alten Bildröhrenfernseher durch neue Flachbildschirmgeräte ersetzt werden, kommt die zukunftsträchtige Technik erneut aus Japan und ist ein Erfolg staatlichen Koordinationsgeschicks in just dem bekannten Wirtschaftsministerium Miti. Doch kostet diese Politik kaum Geld und läuft unabhängig von spektakulären Konjunkturprogrammen. Gleichwohl flößt der sich ankündigende Verkaufsschlager der Elektronikbranche namens Flachfernseher vielen Japanern mehr Vertrauen ein als die Subventionsmilliarden: „Kudoka“ heißt nämlich in Japan das Standortproblem, was soviel bedeutet wie „leere Höhle“, die das Land dann wäre, wenn alle Industrien ausgewandert wären – und Fernseher werden in Japan heute nicht mehr hergestellt. Bis es den Flachfernseher gibt.

Selbst schon verlorene Industrien aber lassen sich eben nicht mit Subventionen, sondern nur mit neuen Techniken und Produktideen zurückholen. Insofern geht auch in der japanischen Wirtschaftspolitik nichts ohne technologische Kompetenz, die bei Keynes nie gefragt war, bei Adam Smith aber auch nicht, und deshalb in Bonn kein Thema sein kann. Über Japans Wirtschaftspolitik kann man auch zu Unrecht lächeln. Georg Blume