Peking in Bremen

■ Frauen aus fünf Ländern beraten feministische Perspektiven

„Quo Vadis?“ Am Dienstag wußten etwa hundert Frauen, wohin ihr Weg führt: zur gleichnamigen Veranstaltung, die von der AG-Antirassismus der Frauenstiftung in Kooperation mit dem Kultur- und Bildungszentrum Belladonna organisiert wurde.

Fünf Referentinnen aus den verschiedensten Ländern und Kontinenten waren angereist, um das Thema „Perspektiven in der internationalen feministischen Zusammenarbeit“ zu diskutieren. Vier von ihnen waren Teilnehmerinnen der vierten Weltfrauenkonferenz in Peking, die am 15. September zuende gegangen ist. Ihre Berichte wurden mit besonderer Spannung erwartet. Tatsächlich sorgten Sarah Mrududu (Zimbabwe), Zubeda Dangor (Südafrika), Mary Cardosa (Malaysia) und die Bremer Dozentin Rose Baaba Folson für Überraschung im Publikum:

„Die Chinesen waren sehr nett, haben uns einen freundlichen Empfang bereitet und waren sehr bemüht, uns einen angenehmen Aufenthalt zu gestalten.“ So resumieren die vier Frauen übereinstimmend die in den Medien so ganz anders dargestellten Bedingungen, mit denen die etwa 42.000 BesucherInnen der Weltfrauenkonferenz konfrontiert waren. „Der Staat hat nicht versucht, Informationen zu unterdrücken“, widerspricht Rose Baaba Folson einer weit verbreiteten Presse-These. „Mir wurde auch niemals verboten, irgendwohin zu gehen.“ Selbst die Organisation der Konferenz wird von den vier Frauen gelobt. Sie belächeln das vielstimmige Lamento über schlechte Verbindungen und langen Wege, das aus dem Zelt der EuropäerInnen erklang. Von mehr als 3000 Veranstaltungen sei dies eine der bestbesuchten gewesen, bemerkt Rose Baaba Folson mit bissiger Ironie.

Möglicherweise ist die andere Einschätzung der Arbeitsbedingungen in Peking symptomatisch für die Unterschiede, die zwischen den Frauen der nördlichen und südlichen Halbkugel bestehen: „Für euch ist es ein wichtiges Ziel, daß das Lesbischsein als Menschenrecht anerkannt wird. Für mich sind Fragen der Armut, der Landrechte, des Überlebens wichtiger“, wendet sich Sarah Mrududu an die Zuhörerinnen. „Die Südfrauen haben Probleme, die bei den Nordfrauen gar nicht repräsentiert sind.“ Erschwerend komme die immer gleiche Perspektive von den Nehmenden und Gebenden hinzu: Geld und Theorie stammen aus dem Norden, „wir sind eure Forschungsobjekte, aber niemals umgekehrt.“ Auch bei der UN agiere man nicht auf einer Ebene: Die Frauen aus dem Norden gelten als Expertinnen für internationale Problem, während sie als Expertin für Südafrika definiert werde.

Ximena Bedregal (Mexiko) vertiefte diesen Punkt und verglich Analysen, Theorien und Strategien des Feminismus mit einem langen Fluß, der sich vom Norden nach Süden zieht – ungeachtet dessen, daß sich im Süden eigenständige feministische Perspektiven entwickelt haben. So verkomme der Fluß zu einem trüben Gewässer, sein Kreislauf sei geschlossen. „In welchem Maße ist das Wissen über den Süden vom Blickwinkel aus dem Norden geprägt? Diese Frage ist entscheidend für einen Dialog“, mahnt die mexikanische Feministin. Die Definitonsmacht der „Ersten Welt“ über die Realität präge auch die Entscheidungen der Organisationen, die Gelder an Projekte zu vergeben haben. Die „Agenturen“ bestimmen die Förderungswürdigkeit der Projekte, was für diese zu einem „Verlust der Autonomie“ führe: mal sei das Thema Gewalt gegen Frauen in Mode, mal das der Menschenrechte. Die Projekte lägen damit an der kurzen Leine der Geldgeber.

Unter „der globalen Kontrolle eines intelligenten Systems“ werden die sozialen Bewegungen geschliffen und büßen ihre ursprüngliche Kraft ein, resumiert Ximena Bedregal. Am Ende der brutalen Dikataturen, die ihr Land durchlebt habe, stehe nun die Dikatur der Entwicklungshilfe. „Daher glaube ich nicht an eine Kooperation im Sinne eines horizontalen Ausgleichs, aber ich glaube an die Notwendigkeit des Dialoges.“

Dafür war Peking eine wichtige Station, sind sich die Referentinnen einig. Die Frage, ob die 90 Millionen US-Dollar nicht besser für Frauenprojekte hätten ausgegeben werden sollen, verneinen sie. Der Erfolg der Konferenz sei das Treffen der Frauen an sich gewesen, auch ohne daß daraus direkt neue Strategien ableitbar wären. „Wir sind noch auf dem Level uns mitzuteilen“, konstatiert Mary Cardosa. „Ansonsten hängt der Erfolg der Konferenz davon ab, was die Regierungen mit den Beschlüssen anfangen.“ Dora Hartmann