Durchs Dröhnland
: Schweinöse Gitarren essen mit Messer und Gabel

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Dieser Mann war für sehr viele Leute sehr wichtig. Er hat den Prototyp des Punkrockgitarristen abgegeben. Das war Ende der 60er, seine Band hieß MC 5, unverdientermaßen im Laufe der Jahre hinter die Reputation der Stooges als grundsätzliche Detroit-Band zurückgefallen. Danach war er im Knast, drogenabhängig, hat mit Johnny Thunders gespielt – der ganze Film. Gesundet, erholt und mit weniger Haaren ist Wayne Kramer nun zurück und hat eine erstaunliche Platte gemacht. Keines dieser Alte-Heroen-beweisen-daß-sie-alt-geworden-sind-Dinger, sondern statt dessen eine Rockplatte, die zeigt, daß er begriffen hat, daß fast 30 Jahre vergangen sind, sich aber trotzdem nicht anbiedert.

Es gibt ein Stück über MC 5, eines über die Drogen, und neben der Vergangenheitsbewältigung viele gute Songs von einem, der es geschafft hat, alt zu werden, ohne sich dessen zu schämen. Geholfen haben Kramer auf der Platte Mitglieder der Melvins, Bad Religion, Rancid, Suicidal Tendencies, Pennywise und anderer Bands des US-Undergrounds, die inzwischen sehr wohl wissen, was Tradition ist. Und Henry Rollins hat die Liner Notes geschrieben: „People don't play guitars like this anymore, he's tring to wreck the place.“

Heute, 21 Uhr, Waschhaus, Schiffbauergasse 1, Potsdam

F.A.B. gehören zur HipHop- Connection der norddeutschen Tiefebene. Das Kürzel steht für „Freaks Association Bremen“, zusammengearbeitet haben sie regelmäßig mit MC Rene, Der Tobi & das Bo und auch DJ Marius No.1, der für Cora E mischte. F.A.B. stehen auch weiter zum Freestyle, weswegen die Texte allzu oft in Selbstreflexion absaufen. Es geht über mal freundlich schleppenden, mal hektisch ploppenden Beats immerzu um die Musik, das Reimen und das eigene Ego. Aber Mixing und Sampling sind phantasievoll und auf der Höhe der Zeit.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte

Ein Trio aus Potsdam, das den ruhigen Fluß amerikanischer Weite pflegt, ohne die Punk-Attitüde zu vergessen, sind 7 Days. Buffalo Tom geben sie selbst als Referenz an, der Punkrock ist aber nur noch zu ahnen. Die Stimmbänder von Lars Ziegener haben auf jeden Fall das Format, den selbstgesteckten Anspruch einzulösen. Andere wollen heutzutage lieber gar nicht mehr mit irgend jemand in Verbindung gebracht werden.

Tunic lehnen alle möglichen Bezugspunkte von vornherein ab. Man selbst ist schließlich einzigartig. Bestenfalls beschreitet man einen Weg, den andere schon vor Jahren dummerweise verlassen haben. Wo Sonic Youth vom rechten Glauben abfielen und Bastro sich aufgelöst haben, da verorten sich unsere „Exilanten“, die in Ostberlin gestrandet sind. Mit Lärm und Getöse möchten sie „zurück in die Zukunft des Krautrock“, während ich Alice Donut und Jeus Lizard um die Ecke blinzeln sehe.

Morgen, 22 Uhr: 7 Days und Huskies & Dolphins, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76, Potsdam, am 26.9.: 7 Days und Tunic und Huskies & Dolphins, auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow, und am 28.9.: 7 Days und Tunic, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Die Orgel dödelt, der Bass blubbert, die Gitarre schubbert, ja hier ist Acid Jazz. Mother Earth spielen ihn so nett, daß selbst schweinöse Gitarren mit Messer und Gabel essen. So wie Jamiroquai nicht die Welt retten wird, werden Mother Earth nicht den Acid Jazz erfolgreich runderneuern, aber das Entscheidende ist ja: Es groovt und groovt und groovt und groovt...

Morgen, 21 Uhr, Universal Hall, Gotzkowskystraße 22, Moabit

Die Heroen aus dem Plänterwald, das Oktett, dem keine Schublade heilig genug ist, um sie aufzuziehen, hat eine neue Platte gemacht, die demnächst in dieser Zeitung gewürdigt werden soll. Bis dahin spielen Michele Baresi aber noch viele kleine Record- Release-Parties:

Am 24.9., Allendeclub, Pablo-Neruda-Straße 4, Köpenick, am 27.9., Alte Fabrik, Wönnichstraße 69, Lichtenberg, am 30.9., Springpfuhlhaus, Marzahn, am 1.10., Thomas-Weißbecker-Haus, Kreuzberg und am 3.10., auf der Insel

In die tiefe Welt der Betroffenheit, die Welt des gnadenlosen Schüttelreims, da wo Gerhard Schöne und Bettina Wegener, aber auch Hannes Wader und Reinhard Mey sich gute Nacht sagen, dahin führt uns Olaf Schubert, gekleidet in einen schräg karierten Rundstrick-Pullunder und mit einem Kamm in der Arschtasche seiner Schnee-Jeans. Wenn Schubert singend fragt: „Ist es dir egal, daß die Welt am seidenen Faden hängt? Ist es dir egal, daß das Hauslicht auch am Tage brennt?“, wenn er seine ellenlangen Einleitungen zu den Liedern abläßt („Aus den Neubaugebieten höre ich es rufen: Olaf, sei unser Sprachrohr!“), kann man kaum glauben, daß dieses Kabarett-Talent seine Zeit bisher zum großen Teil auf dem Schlagzeugschemel von DEKADance vergeudet hat.

Am 24.9., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Im Death- und Doom-Metal tut sich im Moment nicht viel, alles wartet auf die nächste Doping- Wunderwaffe fürs „schneller, härter, lauter“. Deshalb braten Benediction aus Birmingham, von wo auch die Ehrenvorsitzenden Black Sabbath kamen, weiter ausdauernd in der Hölle. Schließlich hat man das Knüppeln nicht verlernt und ist dabei doch schwer durchdacht, mit langsam dräuenden Parts, die rasant von hyperventilierenden Teilen abgelöst werden. Und mit einem Sänger, dessen Mageninhalt-nach-außen- Stimme nicht mal angestrengt wirkt, was ihn automatisch an die Spitze katapultiert. Deswegen momentan eine der besten aktiven Deathkapelle zwischen hier und der Hölle, wo sich Death schon längst eine Loge gesichert haben. Mastermind Chuck Schuldiner gilt schlicht als Erfinder der Chose und wird deshalb entsprechend verehrt, beneidet oder gehaßt.

Am 24.9., 21 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108, Neukölln

Wenn der Trash, was in den letzten Jahren eher selten geschah, noch ganz bei sich ist, dann kombiniert er übermächtigen Pop mit kaputten Verstärkern, dann werden die süßlichsten Melodien auf das fieseste zusammengeholzt, dann ist Musik wie Karl- Heinz Förster: ein übler Treter mit Engelsgesicht. Bei den Babes in Toyland geschieht das noch, bei Ed Hall auch. Das Trio kommt aus Austin, Texas, ohne irgendwelche Country & Western-Flecken aufzuweisen, und veröffentlicht auf dem Label der Butthole Surfers, ohne deren großen Hang zur Strukturauflösung nachzuahmen – statt dessen covern Ed Hall sogar Kiss-Balladen. Hier wird nicht das Rad noch einmal erfunden, aber immerhin die Garage wiederentdeckt.

Am 28.9., 20.30 Uhr, auf der Insel Thomas Winkler