Nach den Wahlen geht das Sparen los

Finanzsenator kündigt an, daß Berlin die Ausgaben um vier Milliarden Mark senken muß / In der Verwaltung und bei der Polizei sollen noch mal 25.000 Stellen gestrichen werden  ■ Von Dirk Wildt

Egal ob nach dem 22. Oktober die Große Koalition abgelöst wird oder weiterregiert – auf die nächste Landesregierung wartet vor allem eine Aufgabe: Sparen. In der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses sagte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gestern, daß die Ausgaben von derzeit 43 Milliarden Mark auf 39 Milliarden Mark reduziert werden müssen. Jede zehnte Mark muß eingespart werden.

Schon vor der Debatte, die die FDP auf die Tagesordnung gesetzt hatte, verriet Pieroth, daß bis zum Jahr 2000 noch einmal soviel Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden müssen wie zwischen 1991 und 1996 – nämlich 25.000. Dabei werde es keine Tabus geben, sagte Pieroth. Lehrerstellen würden genauso gestrichen wie Stellen bei der Polizei.

Darüber hinaus muß eine neue Landesregierung aber auch zusehen, wie sie die Löcher stopft, die die Große Koalition ihr hinterläßt. Da von diesem Jahr erst neun Monate vergangen sind, gebe es noch keine Fakten, sondern nur Risiken, sagte Pieroth. Er rechnet damit, daß bei der Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) 300 Millionen Mark fehlen werden, die zum Teil aus dem Landeshaushalt getragen werden müssen. Bei der Unterbringung von bosnischen Kriegsflüchtlingen hat der Senat zuwenig Gelder eingeplant. Der größte Defizitposten sind aber die Steuereinnahmen. Pieroth hielt es für „möglich“, daß Berlin eine Milliarde Mark weniger einnehme als erwartet. Allerdings stopfen Bund und Länder mit dem Länderfinanzausgleich dieses Loch zum Teil.

Von den Oppositionsvertretern mußte sich Pieroth heftige Vorwürfe anhören. FDP-Fraktionschef Axel Kammholz rügte, daß die Große Koalition mehr Schulden mache, als sie investiere. In Niedersachsen klage die CDU aus diesem Grunde gegen die SPD- Regierung. „Darf man ohne Ende Schulden machen, wenn man Diepgen und nicht Schröder heißt?“ fragte Kammholz. Unter der Großen Koalition habe Berlin auf Kosten der nächsten Generation gelebt. Die Verschuldung stieg innerhalb von fünf Jahren von 18,6 Milliarden auf 42,8 Milliarden Mark. Kammholz forderte den Verkauf von Grundstücken und Landesanteilen an Unternehmen.

Die bündnisgrüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer sprach von Wahlbetrug. Im Haushalt klaffe eine Milliardenlücke, doch „Sie weigern sich, die Zahlen auf den Tisch zu legen“. Die dramatische Haushaltslage sei maßgeblich hausgemacht. Als Beispiel nannte sie die 800 Millionen Mark, die die drei „völlig unnötigen Olympiahallen“ kosten werden. Schreyer warnte die SPD, daß es die traditionell sozialdemokratische Flucht in immer höhere Verschuldung nicht mehr geben könne. Sie sprach sich gegen den Bau neuer Autobahnen und gegen Subventionen für „alles und jeden“ aus. Statt Stellenabbau in der öffentlichen Verwaltung forderte sie die Umverteilung von Arbeit – die Arbeitszeitverkürzung. Der Haushaltsexperte der PDS, Harald Wolf, vermißte bei der Großen Koalition Sparvorschläge. Er höre nur davon, wofür CDU und SPD Geld ausgeben wollen.

Pieroth wies jede Schuld von sich. Die 18 Milliarden Mark seien 1990 die Schulden für Westberlin gewesen, die 43 Milliarden Mark 1995 die Schulden der gesamten Stadt.