Militärs greifen Kollwitz-Plastik wieder an

■ Denkmalbeirat rät dem Parlament, Generalsstandbilder neben der Neuen Wache wieder aufzustellen / Kollwitz-Erben hatten das per Vertrag ausgeschlossen

Wenn es nach dem Willen des Berliner Denkmalbeirats geht, werden die Standbilder der Preußen-Generale von Bülow und Scharnhorst vor der Gedenkstätte Neue Wache wieder aufgestellt. Diese Empfehlung, die gegen den Vertrag mit den Kollwitz-Erben verstößt, hat der Beirat in dieser Woche dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. „Wir haben aus historischen, städteräumlichen und ästhetischen Gründen einmütig für die Aufstellung gestimmt“, sagte Cornelius Hertling, Präsident der Architektenkammer und Mitglied des Denkmalbeirats. „Die Figuren gehören zu Schinkels Planung. Außerdem verkörpern sie nicht so sehr den preußischen Militarismus, sondern stehen für Reformen während der Befreiungskriege“, begründete Hertling die Entscheidung.

Der Beschluß steht im Widerspruch zu dem umstrittenen Vertrag zwischen Bundeskanzleramt, dem Berliner Senat und den Kollwitz-Erben, der ausdrücklich vorsieht, daß „kein aufgeblasenes militärisches Zeremoniell und keine Militärsymbolik“ die Bedeutung der Gedenkstätte schmälern dürfe. Nur unter dieser Voraussetzung stimmten die Erben im Oktober 1993 der Aufstellung der Kollwitz- Pieta in der Neuen Wache zu.

Die Vorlage des Denkmalbeirats für das Abgeordnetenhaus sieht daher vor, so Hertling, daß eine Zustimmung der Erben unumgänglich ist. Wie die erreicht werden soll, ist aber völlig unklar, da von einem Sinneswandel der Erben nichts bekannt ist. Zu einer Stellungnahme waren die Kollwitz-Erben gestern bis Redaktionsschluß nicht zu erreichen. Früher hatten sie erklärt, bei einer Aufstellung der Generale die Kollwitz-Plastik aus der Neuen Wache „abzuziehen“, sie zu „zertrümmern“ und „einzuschmelzen“.

Tilman Buddensieg, Architekturkritiker und entschiedener Befürworter der Wiederaufstellung der Denkmäler, betonte seine Bereitschaft, mit den Kollwitz-Erben erneut über das Vorhaben zu verhandeln. Cornelius Hertling rechnet damit, daß bei einer Zustimmung eine Entscheidung noch in diesem Jahr möglich ist.

Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema in der Hochschule der Künste mochte sich keiner der Diskutanten für eine Wiederaufstellung aussprechen. Leonie Baumann von der Neuen Gesellschaft für Bildende Künste, die Denkmalpflegerin Gabi Dolff-Bonekämper, der Kunsthistoriker Hans-Ernst Mittig und Elfriede Müller vom Berufsverband Bildender Künstler Berlin waren sich einig darüber, daß künstlerische Gründe durchaus für eine Wiederaufstellung der Generalsfiguren sprächen, die die Schinkelsche Neue Wache von 1822 bis 1948 flankiert hatten.

Ernst Mittig warnte indes davor, daß die Aufstellung der Preußengenerale die Installierung weiterer Generalsdenkmäler nach sich ziehen könnte und es letztlich „kein Argument mehr gegen den Auftritt des Wachbataillons der Bundeswehr geben wird“. Bert Arne Meyer