■ Die türkischen Sozialdemokraten verließen die Koalition
: Wahrhaftige Witzbolde

Das sind sie, die türkischen Sozialdemokraten. Sie brauchen fast ganze vier Jahre in einer Koalition, um zu merken, daß sie eigentlich gar nicht nicht mitregieren. Nach diesen vier Jahren stellen sie fest, daß sie noch nicht einmal einen kleinen Polizeichef, der sozialdemokratische Minister angiftet, seines Amtes entheben können. Nach vier Jahren geht ihnen ein Licht auf, daß nicht Ministerpräsidentin Çiller, sondern eine „geheime, außerparlamentarische Koalition“ Herr über die Türkei ist. Dem ist tatsächlich so. Der Geheimbund der Kriegshetzer, Kriegstreiber und Militaristen hat das Sagen. Die Schreibtischtäter im Generalstab, die ihre Marionetten in der Politik tanzen lassen.

Die Koalition, die 1991 mit dem Versprechen angetreten war, die Gesellschaft zu demokratisieren, hat mit den Knüppeln des Militärs und der Polizei regiert. Kritiker der Kurdistan-Politik kamen vor den Kadi, Todesschwadronen ermordeten in diesem Zeitraum über tausend Oppositionelle, Hunderttausende Kurden wurden von ihren Dörfern vertrieben, und die kurdischen Abgeordneten jagte man aus dem Parlament in den Knast.

Die „nationale Sicherheitspolitik“ haben Generäle und nicht Politiker bestimmt. Doch Ministersessel und ökonomische Pfründen verblenden eben sozialdemokratischen Parlamentariern den Blick auf Realitäten. Im letzten Augenblick haben sie das Ruder herumgerissen, um dem Untergang der Partei entgegenzusteuern.

Parteien, die an einer Regierungskoalition beteiligt sind, aber nicht mitregieren können, gehen zugrunde. Die jetzige Regierungskrise ist nichts anderes als eine Krise des politischen Systems. Das Regieren im Schatten der Bajonette wird jede zivile Partei zersetzen. Man kann nicht Demokratie spielen und Ministern verbieten, in bestimmte Landesteile zu reisen. Man kann nicht parlamentarische Demokratie spielen, während die Fernsehnachrichten Bilder von Abgeordneten zeigen, die brutal von Polizisten zusammengeschlagen werden.

Profiteure solcher Zustände sind radikale Kritiker, die selbst das formal konstitutionell demokratische Regime über Bord werfen wollen. Allen voran extremistische, politische Islamisten. Ömer Erzeren, Istambul