Öko-Flieger statt Eurofighter

Daimler will die Dasa mit Rüstungsaufträgen und Werkschließungen retten. Kritiker empfehlen statt dessen die kleine Öko-Alternative  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Kein Witz, es gibt ihn jetzt wirklich, den „guten Stern“ auf zwei Rädern. Das neu entwickelte Mercedes-Benz-Fahrrad, eine geschickte Mischung verschiedener Fahrradtypen, wartet mit pfiffigen Details und Innovationen auf: Vom Zahnriemen (statt Kette) über das witterungsunabhängige geschlossene Bremssystem mit Bremskraftregler bis hin zu praktischen Lösungen für Lichtsystem und Schloß – das Mercedesrad für 1.950 Mark ist das vielleicht zukunftsträchtigste Produkt des schwäbischen Traditionskonzerns.

Das Nischenprodukt Fahrrad ist freilich nicht typisch für die aktuelle Firmenpolitik: Dicken Autos, großen Flugzeugen und Rüstungsprodukten aller Art gilt die ganze Aufmerksamkeit der Konzernspitze, die sich derzeit heftig müht, einen Ausweg aus ihrer bislang schwersten Unternehmenskrise zu suchen. „Daimler setzt noch immer auf die Zugpferde des Kalten Krieges. Doch diese Zeit ist spätestens seit 1989 vorbei. Wir brauchen neue Produkte und Innovation bei Daimler-Benz.“ Jürgen Grässlin, Mitglied der Kritischen AktionärInnen von Daimler, sieht die Ursache für die bislang schwerste Unternehmenskrise des Rüstungsmultis in der Vergangenheit.

Die Milliardenverluste der Luft-, Rüstungs- und Raumfahrttochter Deutsche Aerospace (Dasa) seien, so Grässlin, „die logische Konsequenz aus der Fehlpolitik der achtziger Jahre.“ Damals bastelte der Sozialdemokrat Edzard Reuter durch gewaltige Zukäufe, elegant verbrämt unter der Worthülse vom „integrierten Technologiekonzern“, den größten Rüstungskonzern auf deutschem Boden. Die Hoffnung: Staatsaufträge für Rüstung und Raumfahrt sollten neben den satten Automobilgewinnen für eine zweite, stetig sprudelnde Gewinnquelle sorgen. Das Unternehmen ging gründlich schief: 1,6 Milliarden Mark Verlust bei einem Gesamtumsatz von 5,5 Milliarden verbucht die Dasa alleine im ersten Halbjahr 1995.

Was tun? Am 9. Oktober wollen die Daimler-Benz- und Dasa- Chefs über das härteste Sanierungsprogramm der jungen Dasa- Firmengeschichte beraten. Wird das „Dolores“-Programm der Unternehmensberater von McKinsey beschlossen, sind 15.000 von derzeit noch 40.000 Arbeitsplätzen in der Dasa-Sparte Luftfahrt weg. Hinter Dolores verbirgt sich, so erläutert Hamburgs IG-Metal-Chef Klaus Mehrens, auch Mitglied des Dasa-Aufsichtsrates, eine Strategie mit drei Zielen: Die Dasa will in ganz erheblichem Umfang Produktion in den Dollarraum verlagern und dabei – nach dem Vorbild des großen Überkonkurrenten Boeing – auch die Fertigungstiefe verringern. Zweitens will die Dasa unrentable Werke schließen und in ganz erheblichem Umfang Löhne senken und rationalisieren.

Und schließlich soll mit Dolores die deutsche Politik zu Rüstungsaufträgen motiviert werden. Grässlin schimpft: „Statt ökologische Innovationen und neues Denken einzuführen, wird die Politik bedrängt, den Jäger 90 und neue Großwaffensysteme einzuführen.“ Deutschlands modernste Wirtschaftspolitiker, der Sozialdemokrat Gerhard Schröder, der CSU- Ministerpräsident Edmund Stoiber und CDU-Südfürst Erwin Teufel treffen sich zu diesem Zweck am 25. September 1995 mit Dasa- Betriebsräten in München, um ihrem neuen Faible für den Eurofighter medienwirksam Ausdruck zu verleihen.

„Uns ist es gelungen, über die Medien die ganze Republik aufzuwecken.“ Hans-Günther Eidtner, stämmiger Betriebsratschef der Dasa-Tochter Daimler Airbus GmbH (DA) in Hamburg-Finkenwerder, die mit noch 7.200 Beschäftigten Deutschlands größte Flugzeufabrik ist, zeigte sich mit dem bisherigen Abwehrkampf der Dasa-Beschäftigten, die Ende August das Geheimpapier Dolores an die Öffentlichkeit brachten, zufrieden. Seine aktuelle Hoffnung: „Ich nehme an, Dolores wird nicht so, wie es vorliegt, beschlossen.“ Immerhin hat jetzt auch der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, der Wirtschaftsstaatssekretär Norbert Lammert, der Dasa nahegelegt, ihre Sparpläne noch einmal gründlich zu überdenken.

Skeptisch bleibt jedoch der IG- Metall-Spitzenfunktionär Klaus Mehrens: „Die haben ein Ziel im Kopf – und darauf rechnen sie hin.“ Mit Rüstung, Kostensenkung und Internationalisierung der Produktion, dem Dreigestirn der neuen Dasa-Politik, lasse sich laut Mehrens auf Dauer keine Perspektive für den zivilen Flugzeugbau in Deutschland entwickeln. „Die Alternative? Die Dasa setzt auf moderne Zukunftsprodukte, vergrößert ihren „Technologieanteil“ beim Airbus und erwirbt auch Kompetenz beim Cockpit-, Flügel- und Triebwerksbau.

Daimlers Autofeind Nummer Eins, die blauweiße BMW, zeigt, wie das geht: Mit Rolls-Royce entwickelte BMW jetzt ein radikal sparsames Triebwerk. Auch bei der Airbus wird, allerdings mit angezogenen Zügeln, modern entwickelt: Auf dem Prüfstand steht der Wasserstoffantrieb. Wenn die Dasa schon keine Fahrräder baut, dann, so eine gemeinsame Vision von Grässlin und Mehrens, könnte sie vielleicht schon heute das Öko- Flugzeug fürs nächste Jahrtausend entwickeln. Es muß ja nicht immer Rüstungssubvention sein. Betriebsrat Hans-Günther Eidtner: „Die Gatt-Regeln bieten noch viel Spielraum für Subventionen, auch in Richtung Ökologie.“