Scharfe Kritik an Innenminister Kanther

■ Schlampereien und „Falschinformationen“ bei der Abschiebung der Sudanesen

Frankfurt/Main (taz) – In scharfer Form haben sich gestern Pro Asyl und die Frankfurter Rechtsanwältin Jutta Rock mit einem offenenen Brief an Bundesinnenminister Manfred Kanther gewandt. Sie halten ihm „gravierende Falschinformationen“ in sechs Punkten vor. Die sieben in der vergangenen Woche abgeschobenen Sudanesen seien nicht, wie Kanther behauptete, mit gefälschten Pässen eingereist, heißt es in dem Brief.

Auch sei es nicht „mißbräuchlich“, sondern „fluchtimmanent“, wenn Passagiere beim Zwischenstopp eines Flugzeuges Asyl begehren. Am „gravierendsten“ finden die Unterzeichner die ministerielle Behauptung, keiner der Asylbewerber sei im Sudan politisch tätig gewesen oder verfolgt worden, wie es auch die Illustrierte Stern in ihrer gestrigen Ausgabe behauptet hatte. So weit wie das Blatt und der Minister seien selbst die Entscheider des Zirndorfer Bundesamtes nicht gegangen, das die Anträge im Flughafen-Schnellverfahren abgelehnt hatte.

Die Unterzeichner stellten auch die Methoden des Bundesamtes in Frage. Es seien sudanesische Parteien verwechselt worden. Zwei der Männer hätten ihre Kenntnisse als Mathematikstudenten ausgerechnet anhand der Gewinnchancen des deutschen Lotto 6 aus 49 beweisen sollen. Kanther stütze sich außerdem auf ein „reduziertes, verbogenes und seiner menschenrechtlichen Substanz beraubtes Asylrecht“.

Pro Asyl hatte schon zuvor auf den Stern-Bericht reagiert und Skepsis geäußert. Sprecher Heiko Kauffmann erklärte: „Es ist auffallend, daß die von den Reportern zitierten Äußerungen den Erklärungen sehr ähnlich sind, die die sudanesische Botschaft gegeben hat.“ Kauffmann bezweifelte auch, daß der in dem Bericht genannte Oppositionspolitiker El Hussein Ahmed „als Zeuge für die Theorie der Verlockung herhalten“ könne. Außerdem sei weder auf ärztlich festgestellte Folterspuren eingegangen worden noch auf Äußerungen des Oppositionsbündnisses im Exil, National Democratic Alliance (NDA) in London. Die Organisation kündigte außerdem an, demnächst neues Beweismaterial vorzulegen.

Am Mittwoch abend hatte die 4. Kammer des Frankfurter Verwaltungsgerichts entschieden, daß ein weiterer Sudanese vorerst in der Bundesrepublik bleiben darf. Er wurde gestern aus der Abschiebehaft auf dem Frankfurter Rhein- Main-Flughafen entlassen und in der Gemeinschaftsunterkunft Schwalbach gebracht. Heide Platen