Gläserne Taschen – ja und?

Der Bundestagsabgeordnete Peter Conradi legt seit 1972 seine Einkünfte offen / Wählerinnen und Wähler zeigen wenig Interesse: Nur drei wollten 1993 Einsicht in Conradis Finanzen  ■ Aus Bonn Hans Monath

Wer sich für die Einkünfte des baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Peter Conradi interessiert, braucht nur in der Werastraße 10 in Stuttgart vorbeizugehen. In der SPD-Geschäftsstelle hat der Politiker eine detaillierte Aufstellung seiner Finanzverhältnisse deponiert. Auszug: „Ich besaß am 31. 12. 1993 rd. DM 126.000 in Bundesschatzbriefen, Finanzschätzen, Kapitalbriefen und Sparkonten.“

Um den Nachweis seiner Unabhängigkeit von fremden Zahlungen vor den Wählerinnen und Wählern geht es dem SPD-Abgeordneten, der die Offenlegung schon seit seiner Wahl in den Bundestag im Jahr 1972 praktiziert. Gut bezahlt, dafür aber auch gut kontrollierbar – so wünschen sich Conradi und sein Fraktionskollege Norbert Gansel den idealen Abgeordneten. Auch Gansel gibt seit Jahren Auskunft über seine Finanzen.

Die SPD-Politiker starteten im Bundestag eine Initiative, mit der sie ihre Kolleginnen und Kollegen wenigstens zur Offenlegung von deren Nebeneinkünfte verpflichten wollen. Im Zusammenhang mit der Bundestagsabstimmung über eine Grundgesetzänderung zur Koppelung der Abgeordnetendiäten an die Besoldung der Obersten Bundesrichter sollten die Parlamentarier gestern auch über diesen Antrag abstimmen.

Bisher müssen Zusatzeinkünfte wie Beraterverträge oder Gutachterhonorare von einer bestimmten Höhe an nur bei Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth angegeben und dürfen nicht veröffentlicht werden. Publiziert wird nur die Mitgliedschaft in Aufsichtsräten und Beiräten. Etwa jeder dritte Abgeordnete gehört solchen Gremien an und erhält dafür oft fünfstellige Beträge.

Unbekannt bleibt, welchen Verbänden oder Wirtschaftsunternehmen einzelne Abgeordnete durch finanzielle Leistungen verpflichtet sind und welchen parlamentsfremden Aufgaben sie ihre Arbeitskraft opfern. Wirkung zeigen auch Annehmlichkeiten wie Reisen, Lobbyisten-Einladungen zu feinen Essen oder reichlich bemessene Geschenke. Nicht umsonst versichert Conradi: „Ich habe 1993 keine von Firmen, Verbänden oder Lobbyisten bezahlte Reise unternommen.“

Entnehmen läßt sich Conradis Aufstellung, daß der Architekt gemeinsam mit seiner Frau Jutta im Jahr 1993 neben seinem Abgeordnetengehalt von 125.820 Mark aus selbständiger Arbeit rund 6.000 Mark und aus Kapitalvermögen rund 29.000 Mark (netto) einnahm. Auch über die Herkunft seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit klärt Conradi auf: Es sind Autoren- und Vortragshonorare von Verlagen und Instituten.

Fast 40.000 Mark an Beiträgen und Abgaben zahlte der Abgeordnete 1993 an seine Partei, darunter Beiträge zu Wahlkampfkosten. Seit Jahren konstant bleibt die Angabe: „Ich besitze eine Doppelhaushälfte mit Garten in Ostfildern“.

Im Parlament machten sich die beiden Anwälten der Öffentlichkeit mit ihrer Initiative nicht nur Freunde. Aber auch Wählerinnen und Wähler schätzen das Angebot des Abgeordneten Conradi wenig. In der Stuttgarter SPD-Geschäftsstelle wollten lediglich drei Interessenten die Bescheide für das Jahr 1993 einsehen. Er werde wegen seines „Finanz-Outings“ eher belächelt, meint Conradi.