Synanon auf dem Lande

■ Gut Schmerwitz ist der größte Bio- Landwirtschaftsbetrieb Deutschlands

Eines ist Ingo Warnke ganz wichtig: „Synanon ist keine anthroposophische Drogeneinrichtung.“ Alles, was an die anthroposophische Lebensweise erinnert – wie beispielsweise die Vollwerternährung, der Verzicht auf weißen Zucker, Tabak und alle Drogen, auch das Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit des Menschen – sei der schlichten Vernunft geschuldet. „Wir haben selber Ideen! Wir sind auch schon gejoggt, als das noch Dauerlauf hieß. Heutzutage ist das ja ohne Joggingschuhe kaum noch machbar“, sagt Warnke.

Synanon will sich in keine weltanschauliche Schublade stecken lassen. Die Drogenausstiegshilfe soll allen offenstehen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder Ausstiegswillige, gleich welcher Religion oder politischen Überzeugung, kann zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen. Es gibt keine Warteliste, und es muß kein Nachweis für eine Kostenübernahme von der Krankenkasse vorliegen, wie das bei üblichen Drogeneinrichtungen der Fall ist, die damit den Ausstieg keineswegs erleichtern.

Synanon finanziert sich weitgehend selbst durch die Arbeit der Mitglieder. Und die ist sehr erfolgreich, wie die verschiedenen „Zweckbetriebe“ zeigen. In den 80er Jahren erhielt Synanon die Anerkennung als gemeinnützige Stiftung. In den beiden Berliner Synanon-Häusern und auf dem Gut Schmerwitz im Land Brandenburg leben um die dreihundert Ex-Süchtige, in Schmerwitz sind allein über sechzig Kinder mit dabei.

1971 wurde Synanon als Suchthilfegemeinschaft von Ingo Warnke und anderen Betroffenen gegründet, die eigenverantwortlich ihrer Sucht den Laufpaß geben wollten. Das Geld wurde mit einem Fuhrunternehmen verdient. Zwei Jahre später kam eine kleine Druckerei dazu. Am Prinzip der Eigenverantwortlichkeit hat sich bis heute nichts geändert. Niemand solle sich hinter seiner Sucht verstecken, sie als Krankheit bezeichnen und damit jede Verantwortung von sich weisen, fordert Warnke, der inzwischen 53 Jahre zählt. Der eigene Wille entscheidet.

Seit 1980 gibt es die handgetöpferte Synanon-Keramik. 1984 wagte sich Synanon an den Aufbau eines biodynamischen Hofes: „Fleckenbühl“ in der Nähe von Marburg in Hessen. Alle Synanon- Betriebe haben das Ziel, die ehemals Süchtigen beruflich zu qualifizieren.

Marcus Sperlich hat seine Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister auf eben jenem Hof erhalten. Heute ist er für das Gut Schmerwitz zuständig. Schmerwitz ist mit seinen 1.300 Hektar Nutzfläche der größte biodynamische Landwirtschaftsbetrieb in Deutschland und ist rund 70 Kilometer von Berlin entfernt. 1991 konnte Synanon der Treuhandanstalt das Gut im Hohen Fläming abkaufen.

Die Böden des Hohen Fläming sind überwiegend mager, trotzdem ist die biodynamische Landwirtschaft mit ihrem Verzicht auf Chemie, mit ihren natürlichen Düngemethoden, dem standortgemäßen Anbau und dem ausgewogenen Verhältnis von Viehzucht und Ackerbau erfolgreich.

Rund fünfhundert Schafe und dreihundert Schweine werden auf dem Gut Schmerwitz gehalten. Artgerechte, naturnahe Tierhaltung ist hier eine Selbstverständlichkeit. Die Schweine der Sorte Sattelschwein zeichnen sich durch gutes Fleisch und eine an Panda- Bären erinnernde schwarzweiß schraffierte Haut aus. Von den sechshundert Rindern sind zweihundertfünfzig als Milchlieferanten tätig. Ihre Milch darf als unpasteurisierte Vorzugsmilch verkauft werden. Noch ein Superlativ: Schmerwitz besitzt die größte Vorzugsmilch-Produktionsanlage in Deutschland.

Im Juni diesen Jahres erhiehlt das Gut Schmerwitz die Anerkennung als Demeter-Betrieb. Die neu begonnene Hühnerhaltung und die Honigerzeugung haben diesen Titel noch nicht erhalten – der hohe Qualitätsstandard muß bis zu fünf Jahre gehalten werden, bis er offiziell anerkannt werden kann.

Synanon engagiert sich auch in der Landschaftspflege: Die Felder säumenden Hecken wurden gepflanzt, Streuobstwiesen angelegt. Der benachbarte Gutspark Lübnitz wurde auf Initiative von Synanon unter Denkmalschutz gestellt – ein Stück mehr Lebensqualität für alle. Ursula Dohme