Gruner + Jahr gibt auf

■ Verlagsmäzen kauft die Berliner Wochenpost / Redakteure sollen bleiben

Berlin (taz) – Dreißig Millionen Mark hat „Gruner + Jahr“ in den letzten vier Jahren in die Ostberliner Wochenpost investiert und jetzt in den Sand gesetzt. Gestern gab der Medienkonzern bekannt, daß zum 1. November der Münchener Wirtschaftsanwalt Dietrich von Boetticher 75 Prozent des Berliner Verlages übernimmt. Das schlechte wirtschaftliche Ergebnis der Wochenpost, gab für Gruner + Jahr den Ausschlag. Trotz millionenschwerer Werbung, einem aufwendigen Blatt-Relaunch im Frühjahr und einem Rechtsschwenk im Profil der Zeitschrift gelang nicht, genügend Leser und Anzeigenkunden für die Wochenpost zu finden.

Die renommierte DDR-Wochenzeitung war 1991 von „Gruner + Jahr“ übernommen worden und hatte sich unter dem früheren Chefredakteur Matthias Greffrath als linksliberales Blatt hohem Ansehen verschafft.

Allerdings gelang es, weder unter Greffrath noch unter seinem Nachfolger Matthias Döpfner, den Verfall der Auflage in den neuen Bundesländern zu stoppen bzw. im Westen in nennenswertem Umfang neue Abonnenten und Käufer zu gewinnen.

Der neue Mehrheitsgesellschafter, der als Patentanwalt reich geworden ist, hat in den letzten Jahren bereits die renommierten Literatur-Verlage „Luchterhand“ und „Volk und Welt“ gekauft. In einer Mitarbeiterversammlung gestern mittag versicherte er, die Wochenpost werde mit der bisherigen Redaktion weitergeführt, im Verlag jedoch müssen einige Mitarbeiter, die auch das für das „Gruner + Jahr“-Pleiteprojekt Tango gearbeitet haben, entlassen werden. Auch der Chefredakteur Mathias Döpfner soll bei der Wochenpost bleiben. Der 32jährige Döpfner ist Ziehkind des „Gruner+Jahr“- Chefs Gert Schulte-Hillen und war vor 18 Monaten direkt aus dessen Vorzimmer nach Berlin geschickt worden, um die kränkelnde Wochenpost zu retten.

Ob Döpfner allerdings wirklich noch lange in Berlin bleiben wird, gilt als zweifelhaft. Hartnäckig halten sich in Hamburg Gerüchte, Döpfner sei als stellvertretender Chefredakteur des „Gruner + Jahr“-Flagschiffs Stern im Gespräch. Ein Insider gegenüber der taz: „Döpfner ist durch das Wochenpost-Desaster nicht beschädigt.“ Auch wenn es alle dementieren, kann nicht ausgeschlossen werden, daß dann Matthias Greffrath auf den Chefsessel der Wochenpost zurückkehrt. Greffrath gilt als enger Vertrauter und Freund von Dietrich von Boetticher. Christoph Seils