Waigels Außenpolitik belastet den EU-Gipfel

■ Die 15 Regierungen der Europäischen Union streiten lieber über Währungen und Atomtests, als über die Zukunft nachzudenken. Friedensbotschaft aus Bosnien

Alcudia (taz) – Gleich zu Beginn hat der italienische Regierungschef Lamberto Dini den deutschen Bundeskanzler zur Seite genommen. Helmut Kohl solle öffentlich deutlich machen, daß die jüngste Bemerkung von Finanzminister Theo Waigel nicht die Position der deutschen Bundesregierung sei. Waigel hatte am Mittwoch in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Finanzausschusses im Bundestag gesagt, daß Italien für die Europäische Währungsunion nicht in Frage komme. Er löste damit starke Kursverluste der italienischen Währung aus und trieb den Kurs der Mark gegenüger dem US-Dollar in die Höhe.

Die 15 Staats- und Regierungschefs der EU sind gestern in Mallorca zu einem zweitägigen informellen Nachdenk-Wochenende zusammengekommen, um über die Regierungskonferenz von 1996 zu reden. 1996 soll der Maastricht- Vertrag generalüberholt werden, um die Europäische Union für die Währungsunion und für die Aufnahme weiterer Mitglieder fit zu machen. In erster Linie geht es dabei um eine Straffung der Entscheidungsstrukturen und um einen Ausbau der gemeinsamen Außen- und Innenpolitik.

Doch die 15 Regierungen haben zur Zeit erhebliche Schwierigkeiten, zum Thema zu kommen. Nicht nur Waigels Außenpolitik belastet die Gespräche. Auch die französischen Atomtests und die neuerlichen Querschüsse des Pariser Staatspräsidenten Jacques Chirac gegen das Schengener Abkommen haben dazu beigetragen, daß die Chefs mehr gegen- als miteinander reden. Chirac hatte erklärt, Frankreich werde die 1985 vereinbarte Abschaffung der Grenzkontrollen weiter hinausschieben.

Der belgische Ministerpräsident Jean-Luc Dehaene wollte deshalb erst einmal über Schengen reden und der schwedische Regierungschef Ingmar Carlson kündigte vor der Konferenz an, daß er Chirac wegen der Atomtests noch einmal zur Rede stellen werde.

In diesem Klima löste es schon fast Erleichterung aus, daß die konfuse europäische Außenpolitik derzeit im ehemaligen Jugoslawien nicht allzusehr auf die Probe gestellt wird. Der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky hatte den bosnischen Präsidenten Alija Itzetbegovic in Wien empfangen und brachte nach Mallorca die Botschaft mit, daß die bosnische Armee ihre Offensive gegen Banja Luka einstellen werde, „um den Fortschritt zum Frieden nicht zu gefährden“. Itzetbegovic appelliere an die EU, ein internationales Wiederaufbauprogramm für Bosnien zu erstellen, sagte Vranitzky. Er habe dem bosnischen Präsidenten bereits versprochen, daß sich Wien daran beteiligen werde.

Ein solches Wiederaufbauprogramm hat gute Chancen, von der EU unterstützt zu werden, weil fast alle Mitgliedsländer nach Möglichkeiten suchen, mit einem positiven Signal aus der verfahrenen Situation herauszukommen. Weniger Begeisterung dürfte die Forderung von Itzetbegovic auslösen, den von der EU gehegten internationalen Teilungsplan für Bosnien aufzugeben und für einen autonomen und unabhängigen Gesamtstaat Bosnien einzutreten.

Waigels Mark ist ein Renner auf den Börsen

Die Spekulationen über die europäische Währungsunion haben gestern die Kurse des Dollars und der meisten europäischen Währungen weiter geschwächt. In Frankfurt verlor der Dollar wieder rund drei Pfennig. Auch die Aktienkurse wurden mitgerissen. Der Nikkei- Index in Tokio fiel 1,78 Prozent, der deutsche Aktienindex um 75 Prozentpunkte. Alois Berger