: Der Unterwanderer
■ Gesichter der Großstadt: Bernd Holtfreter, bürgerbewegter Kiezaktivist aus dem Prenzlauer Berg, kandidiert auf der offenen Liste der PDS / Bedenken wegen alter Kader
„Du und die PDS?“ Die Frage muß ihm seitdem wohl ebenso oft gestellt worden sein wie jene, was er denn ausgerechnet im Abgeordnetenhaus wolle. Bernd Holtfreter, der Kiezaktivist aus der Oderberger Straße, Mitbegründer von Basis-Druck, zeitweiliger Geschäftsführer der Zeitung die andere und Kämpe jenseits aller Parlamente, kandidiert auf der offenen Liste der PDS für ein Direktmandat ins Abgeordnetenhaus.
Holtfreter ist keiner, der Vorwürfe so einfach vom Tisch wischt. Auch nicht den, das ungeschriebene Gesetz im Prenzlauer Berg gebrochen zu haben, daß Kiez- und Parteipolitik auseinanderzuhalten sind. Er weiß, daß seine Person für viele mit der in der Oderberger Straße geborenen Mieterinitiative W.B.A. (Wir bleiben alle) identisch ist. „Aber W.B.A. ist natürlich nicht allein Bernd Holtfreter.“ Solche Initiativen sollten sich auch weiterhin nicht einer Partei unterordnen oder von ihr vereinnahmen lassen. „Es schließt ja nicht aus, daß Personen, die in einer Initiative tätig sind, auch für irgendeine Partei aktiv werden können.“
Irgendeine Partei, für Bernd Holtfreter waren das irgendwie immer die Bündnisgrünen. Dachte man zumindest. Natürlich, auch die Wählergemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg hatte ihn gefragt. „Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, mit Bausenator Nagel Regierungspolitik vertreten zu müssen“, sagt Holtfreter dazu. Er will weder regieren noch mitregieren. Womit zu Grün und zu Rot-Grün alles gesagt wäre. Und damit auch zu Marianne Birthler. Sie geht wie der gelernte Autoschlosser und Vermessungstechniker am Kollwitzplatz ins Rennen um ein Direktmandat – für die Bündnisgrünen. „Wenn Marianne Birthler wegen der Stasi-Kontakte des SPD- Ministerpräsidenten Stolpe aus der Politik gegangen ist“, was Bernd Holtfreter als aufrechten Schritt wertet, „so bleibt zu bezweifeln, ob sie mit der SPD gemeinsam in Berlin am Ruder ebenso aufrecht bleiben kann.“
Holtfreter ist sich der Tücken des Parlamentarismus bewußt. Zehntausend Leute, die wie im Juli 92 auf die Straße gehen, um gegen die Mieterhöhungen im Osten zu protestieren, sind ihm allemal lieber. Doch in Zeiten, wo der Zorn von Betroffenen wie zu DDR-Zeiten merkwürdig still wird, ist es nicht damit getan, Bundesbauminister Töpfer in die Gethsemane- Kirche zu locken. Die „konsequente Oppositionsrolle der PDS“ hat ihn überzeugt. Dennoch „sind da natürlich eine ganze Menge Leute drin, wo mir schon ein wenig anders wird“. Als in Mitte die bündnisgrüne Baustadträtin Dorothee Dubrau mit Hilfe der PDS entmachtet wurde, nannte er dies „beschissen“ und wußte auch im Prenzlauer Berg ausreichend Genossen neben sich, die von einem politischen „Dummenstück“ sprachen. Altstalinisten, Stasi-Vergangenheit – eine erneute Herausforderung eben. Und warum sollte seine Strategie diesmal nicht aufgehen? Seine Methode vom „offenen Unterwandern“ hatte schon einmal Erfolg.
Vor zehn Jahren, als die Aktivisten des alternativen Kulturprojektes „Hirschhof“ es leid waren, jede ihrer Veranstaltungen von SED und Polizei genehmigen zu lassen. Der sogenannte Wohnbezirksausschuß (WBA) für das Gebiet um die Oderberger Straße war damals personell schwach besetzt. Holtfreter und sein Trupp wurden Mitglied beim WBA und krempelten das Gremium vor den Augen der Bezirksfürsten regelrecht um. Im Gegensatz zu anderen WBAs, in denen Kommissionen für Ordnung und Sicherheit existierten, gründete man in der Oderberger Straße eine „Kulturkommission“. Zwei Jahre später mußte die SED Pläne, wonach die gesamte Straße abgerissen und in Plattenbauweise neu entstehen sollte, angesichts der Proteste der KiezbewohnerInnen zurückziehen. Vor den Kommunalwahlen 1989 ging der WBA Plakate kleben. Den Affen, der nichts sieht und nichts hört, am Revers das Parteiabzeichen. Die Zeiten haben sich verändert, nicht die Zwänge.
Weggelaufen vor ihm sei damals jedoch keiner, meint er, so wie der SPD-Bürgermeister von Prenzlauer Berg, Manfred Dennert, heute Reißaus nimmt, wenn Holtfreter ihn nach der Perspektive des Stadtbades Oderberger Straße fragen will. Flaute statt Fluten herrscht in der 1899 errichteten Volksbadeanstalt, neben seinem Töchterchen Holtfreters liebstes Kind. Um das Bad in seinem ursprünglichen Charakter zu bewahren, nahm er Spendengelder für Alternativgutachten an, dafür ist er bereit, am Senat vorbei Investoren zu suchen. Fürs Stadtbad, munkelt man, geht Holtfreter auch ins Abgeordnetenhaus. Doch der gebürtige Mecklenburger setzt einfach nur auf seine Ausdauer. Mehr als zwanzig Jahre Wohnen in der Oderberger Straße waren eine gute Schule. Kathi Seefeld
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