Press-Schlag
: Mensch und Tennisspieler

■ Der Michael Stich wird ein Guter

Man sitzt so nichtsahnend auf der heimatlichen Couch, die kleine, wohlgeordnete Tennis- Welt vor und die Lebensabschnittsbegleiterin neben sich. Die Rollen, und das ist das Tröstliche am Tennis, sind klar verteilt: Wer der bessere Spieler ist, das weiß ein Computer so exakt zu sagen, daß er Stellen hinter dem Komma dazu braucht. Und eines wissen wir selbst genau, auch wenn kein Computer das ausrechnen kann: Wir beide können Michael Stich nicht leiden.

Doch dann passiert „die schmerzhafteste Niederlage meines Lebens“ (Elmshorner Erkenntnis) und der überzeugten Stich-Verächterin neben mir wächst plötzlich ein großes weiches mütterliches Herz. „Im Team hat mich keiner kritisiert“, atmete der Verlierer dort im fernen Moskau erleichtert auf, und ihm wäre ohne Zweifel noch leichter gewesen, hätte er gewußt, was sich hier auf unserer Couch abspielte: „Guck mal, jetzt weint er auch noch. Also, jetzt tut er mir leid.“ Stundenlang hatten wir in das „unheimlich müde“ (Becker über Stich) Gesicht gesehen, dort die drohende Niederlage hineingelesen, und dann „brach eine Welt zusammen“ (dpa). Das „heulende Häufchen Elend“ (dpa) brachte auch unsere kleine,

heile, bequeme Welt zum Einsturz. Schüchterne Tränchen sah unsere Couch, als dann auch noch „der Leimener“ (dpa) kam, den unter einem Handtuch verborgenen, ehemaligen Intimfeind knuddelte und ihm gar „tröstende Worte“ (Tagesspiegel) ins Ohr hauchte.

Auch wenn das 3:2, der Davis-Cup-Halbfinal-Sieg der Russen, schon deswegen in Ordnung ging, weil deren Namen stets so ausgesprochen wurden, daß der Russisch sprechenden Lebensabschnittsbegleiterin die Ohren klingelten: So haben wir das doch nicht gewollt. Beim Abschlußbankett im Kreml „swingten“ (sid) deutsche Eltern zusammen zur Musik von Glenn Miller. Und die Söhne verstanden einander wie nie zuvor. Der eine mit Schmerzen am Rücken hatte „genau das Richtige getan“ (Stich). Und der andere mit Schmerzen am Herzen sah eine „Erfahrung“, die ihn als „Mensch und Tennisspieler“ weiterbringen würde auf dem „richtigen Weg“.

Und keiner war mehr da, dem man die Niederlage hätte gönnen können. Gut und Böse waren nicht mehr verteilt wie noch wenige Minuten zuvor. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, aber ob wir uns noch mal Tennis angucken? to