■ Der letzte Auftritt des nachsorgenden Umweltschutzes
: End of the Pipe

Fünf Jahre nach der deutschen Vereinigung zieht Umweltministerin Merkel die erwartbar positive Bilanz. Alles ist besser geworden. Wasser, Erde und Luft im Osten sind nicht mehr so giftig wie zu Honeckers Zeiten, die Lebensqualität in den neuen Ländern sei deutlich verbessert worden. Vom ökologischen Strukturwandel ist die Rede.

Doch soviel ökologischer Wandel war nicht. Viele der dreckigsten und gefährlichsten Betriebe sind in den vergangenen fünf Jahren ersatzlos geschlossen worden. Wo nicht, hat die westdeutsche Industrie im Osten ihr letztes und größtes Wiederaufbauprogramm durchgesetzt: Mehr Autos für die Ossis, mehr West-Filter und mehr teure West-Kläranlagen für ihre Umwelt. Die Regierung half zusätzlich mit Subventionsmilliarden für diese „Umwelttechnik“.

Viel Zukunft steckt darin nicht. Seit Jahren ist allen Beteiligten klar, daß dieser nachsorgende Umweltschutz letztlich zu teuer, nicht effektiv und schon gar nicht zukunftsweisend ist. Die Zukunft einer Industriegesellschaft entscheidet sich eben nicht an der Qualität ihrer Filter, sondern an der Qualität ihrer Innovation. Der Osten braucht neue umweltfreundlichere Technologien, in sich saubere Lösungen, die auf teure Filter auf dem Schornstein verzichten können.

Doch dieses neue Gesicht der Industriegesellschaft verlangt vor allem eins: Hirnschmalz. In die Forschung und Entwicklung müßte investiert werden. Der Verbrauch von Ressourcen müßte teuer werden. Nur so kapieren die Konzernbuchhalter, daß die Zukunft ihrer Firma in der Innovation und nicht in mehr vom Gleichen liegt.

Im Osten ist davon (leider) wenig zu sehen. Die neuen West-Führungskader halten am von zu Hause Mitgebrachten fest. Im Berliner Neubaugebiet Karow-Ost dominieren nicht die Niedrigenergiehäuser. In Bitterfeld wird für Bayer ganz normales Aspirin produziert, nur eben mehr. Oder, um mit der Ministerin zu sprechen: Bei Forschung und Entwicklung passiert in Ostdeutschland einfach nicht viel.

Zugegeben, es ist schwierig, eine ganze Ökonomie in wenigen Jahren umzubauen. Zugegeben, es gab auch im Westen keine Blaupausen für die ökologische Zukunft. Aber schade ist es schon, daß die Milliarden für den Osten für mehr vom Gleichen verpulvert werden, und nicht für die ökologische und wirtschaftliche Zukunft der gebeutelten Region. Hermann-Josef Tenhagen