Neue Hetzkampagne gegen Juden in Rumänien

■ Nationalisten lehnen Besitzrückgabe ab / Protest aus Israel, und USA protestieren

Bukarest (taz) – „Die Beute: Rumänien! Der Jäger: die jüdische Weltregierung! Die Waffe: Erpressung mit dem Weißen Haus!“ So beginnt eines der wütendsten antisemitischen Manifeste, die in Rumänien in den letzten fünf Jahren veröffentlicht wurden. Gezeichnet hat sie der berüchtigte Antisemit und einstige Ceaușescu-Lobhudler Corneliu Vadim Tudor – heute Chef der „Großrumänien-Partei“, die mit mehreren Staatssekretären in der Regierung vertreten ist.

Tudor übertrifft in seinem Manifest alle bisher von ihm verfaßten Schmierereien: Er ruft zum „Kampf gegen jüdische Habsucht“ auf, hetzt gegen das „Volk der Diebe ohne Gott“ und wettert gegen den „künstlich kreierten rumänischen Holocaust“.

Gewichtig wie die Worte ist auch der Anlaß des Manifestes: der heutige Besuch des rumänischen Staatspräsidenten Ion Iliescu beim amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Im Vorfeld des Besuches mußten sich Iliescu und seine regierende „Partei der sozialen Demokratie“ mit zwei Fragen auseinandersetzen, die Rumänien im Ausland immer wieder negative Schlagzeilen bescheren: die Rehabilitierung des profaschistischen Diktators Ion Antonescu, der für die Ermordung von 250.000 Juden und 35.000 Roma mitverantwortlich ist. Und: die Rückgabe des von ihm „romanisierten“ und später von den Kommunisten verstaatlichten jüdischen Eigentums.

Im August hatten zwei US-Kongreßabgeordnete Iliescu in einem Brief aufgefordert, endlich ein Machtwort gegen die Verherrlichung von Antonescu als Nationalheld zu sprechen. Denn die wird in Rumänien seit Jahren nicht nur verbal von zahlreichen Politikern und Organisationen betrieben. Einige Städte ehren Antonescu mit einer Statue; die rumänische Post hat ihm eine Gedenkmarke und einen Gedenkumschlag gewidmet. Aufschrift: „Ruhm den Helden der Nation.“ Fast zeitgleich mit dem Brief an Iliescu hatte die israelische Knesset eine Protestresolution an das rumänische Parlament gesandt. Darin wird das Ende Juni verabschiedete „Gesetz über die nationalisierten Häuser“ kritisiert, mit dem die Rückgabe von Immobilien oder Entschädigung an ihre ehemaligen Eigentümer nahezu unmöglich wird. Betroffen sind davon rund 100.000 Immobilien jüdischer Besitzer.

Sowohl die Antonescu-Verherrlichung als auch die Rückgabe des jüdischen Eigentums werden bei Iliescus Treffen mit Clinton eine wichtige Rolle spielen. Der rumänische Staatspräsident hat, um seinen ersten offiziellen Besuch im Weißen Haus nicht zu verderben, ein Antwortschreiben an die beiden US-Kongreßmitglieder gesandt, in dem er die Rehabilitierung Antonescus herunterspielt. Den Protest des israelischen Parlamentes hingegen wies Iliescu als „Einmischung in Rumäniens Angelegenheiten“ zurück. Nachdem jedoch der US-Sonderbeauftragte in dieser Frage, EU-Botschafter Stewart Eisenstadt, mit rumänischen Offiziellen verhandelt hatte, legte Iliescus Regierungspartei in der letzten Woche einen Gesetzesentwurf zur Rückgabe des Eigentums der jüdischen Gemeinde vor.

Rumäniens Extremisten geht das zu weit. Nicht nur die Großrumänien-Partei, auch die beiden anderen Koalitionspartner, die rotbraune „Sozialistische Partei der Arbeit“ und die ultranationalistische „Partei der nationalen Einheit Rumäniens“ machen gegen die „Ansprüche der Juden“ Front und propagieren die Rehabilitierung Antonescus. So will der Chef der letzteren Partei, Gheorghe Funar, in der siebenbürgischen Metropole Klausenburg, wo er als Bürgermeister die ungarische und deutsche Minderheit terrorisiert, demnächst eine Antonescu-Statue aufstellen lassen. Die Botschaft ist klar: Alle drei Parteien würden die Koalition kündigen, sollte das Gesetz über die Rückgabe des jüdischen Eigentums im Parlament durchkommen. Die Regierung verlöre so ihre Mehrheit. Iliescus Partei hat solchen Drohungen – zumindest bisher – immer nachgegeben. Keno Verseck