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Ein karger Brief löst Phantasien aus

Grüner Ex-Staatssekretär protestiert gegen die Interpretation seines Beschwerdebriefes als „Enthüllungsroman“. Brief hatte Rücktritt der Ministerin ausgelöst  ■ Aus Frankfurt/Main Heide Platen

Er wird heute voraussichtlich in den teuren vorzeitigen Ruhestand versetzt. Aber das will er nicht auf sich sitzenlassen: Der heute zur Entlassung anstehende ehemalige Staatssekretär der hessischen Ex- Umwelt- und Familienministerin Iris Blaul (Bündnis 90/Die Grünen), Johannes Schädler, wies gestern entschieden zurück, der Verfasser eines 11seitigen, derzeit in Zeitungsredaktionen heiß begehrten, Enthüllungsromans ministerieller Beziehungskisten zu sein. „Wenn Sie das lesen würden, wären Sie enttäuscht.“ Und: „Es gehört nicht zu meinen Stil, obszöne Metaphern zu verwenden“, sagte Schädler gegenüber der taz.

Stein des Anstoßes ist ein Beschwerdebrief, den Schädler an die grüne Landtagsfraktion geschrieben hatte und der vorige Woche den Rücktritt der Ministerin auslöste. Ein grüner Abgeordneter hatte das Schreiben Schädlers, das sich mit der Ressortaufteilung im Hause Blaul auseinandersetzte, so interpretiert: Schädler habe sich von Blaul und ihrem Lebensgefährten und Zentralabteilungsleiter Wenzel Mayer ständig übergangen gefühlt. Das Schreiben lasse zwischen den Zeilen den Vorwurf erkennen, daß Entscheidungen zwischen Blaul und Wenzel Mayer „im Bett getroffen“ worden seien.

Schädler verteidigt seinen Brief: „Es handelte sich um ein Positionspapier mit sehr sachlichem Text.“ Tatsächlich hört sich die inkriminierte Stelle in dem Brief eher trocken an: „Als äußerst abträglich für die Neustrukturierung erwies sich, daß der Vorgenannte (Wenzel Mayer, die Red.) in einem sehr persönlichen Verhältnis zur Ministerin steht.“ Ansonsten setzt sich das Schreiben mit den Ressortaufteilungen auseinander, deren Zuschnitt Schädler nicht gefiel und die er als untauglich monierte. Er bittet darin außerdem die Fraktion um eine hausexterne Diskussion darüber.

Krach zwischen der Ministerin, ihrem Lebensgefährten und Zentralabteilungsleiter Wenzel Mayer, Staatssekretär Rainer Baake einerseits und Schädler andererseits hatte es aber bereits im Vorfeld gegeben. Es war schließlich Blaul, die die persönliche Verantwortung für den angeblich inkompetenten Schädler und ihre „verfehlte Personalpolitik“ übernahm und zurücktrat.

Hausintern war inzwischen zu hören, daß die Querelen sich schon des längeren hingezogen hatten. Warum eigentlich, fragen inzwischen Kolleginnen, müsse letztendlich „immer die Frau gehen“? Statt dessen, meinen sie, hätte Lebensgefährte Mayer freiwillig zutreten und „vielleicht einfach mal ein Jahr Hausmann“ bei seiner Vorgesetzten sein müssen. Die hatte seine Entlassung mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daß es die SteuerzahlerInnen zu teuer käme. Mayer habe das, hieß es im Ministerium, auch gar nicht gewollt: „Der war sehr überzeugt von sich selbst.“

Positionspapier-Verfasser Schädler selbst hatte, ähnlich wie die zuvor im Familienministerium überraschend gefeuerte Staatssekretärin Brigitte Sellach, nicht geahnt, daß er in Ungnade gefallen war, und war gutgelaunt aus dem Urlaub zurückgekehrt. Das Gespräch mit der Ministerin, bei dem ihm sein Rücktritt nahegelegt wurde, hatte ihn völlig überrascht. Der Schwabe Schädler weigerte sich zu gehen und wies den Vorwurf der Inkompetenz zurück.

Schädler räumte ein, daß es für ihn, der nach nur vier Monaten Amtszeit in den Ruhestand versetzt wird, auch „um viel Geld“ gehe. Aber schließlich habe sich der Gesetzgeber bei der Besoldung Politischer Beamter „auch etwas gedacht“. Der Rücktritt der Ministerin sei „völlig unnötig“ gewesen. Die Fraktion der Grünen beschloß gestern, die Stelle des umstrittenen Staatssekretärs nicht wiederzubesetzen. Führende Sozialdemokraten hatten die Grünen aufgefordert, wegen der hohen Ruhestandsbezüge Schädlers künftig nur noch mit einem Staatssekretär auszukommen.

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