Dabeisein ist alles

■ Kohl will deutsche Soldaten auch in Bosnien

„Die Bundeswehr wäre eindeutig nur ein Teil des Problems und eben nicht ein Teil der dringend notwendigen Lösung.“ Wo Rühe recht hat, hat er recht. Warum dieser Spruch allerdings erst dann gilt, wenn es um den jetzt diskutierten Einsatz von deutschen Bodentruppen geht, und nicht auf den Kampfeinsatz von Tornados zutreffen soll, bleibt Rühes Geheimnis. Allerdings gibt uns der Verteidigungsminister einen Fingerzeig, warum für ihn Angriffe aus der Luft etwas völlig anderes sind als Pioniereinheiten beim Brückenbauen. Im Gegensatz zu den Tornados könnten die Pioniere Zielscheiben einer terroristischen Bedrohung werden. Rühe ist also durchaus nach wie vor der Meinung, daß deutsche Soldaten im ehemaligen Jugoslawien eine Provokation sind, nur, gegen die Tornados können die Provozierten wenig tun. Das ist der Unterschied zwischen Luftwaffe und Bodentruppen. Das spezielle Risiko, nicht die Eskalationsgefahr, machen für Rühe die Bundeswehr zu einem Teil des Problems.

Daß der Chef der Hardthöhe an diesem Punkt vorsichtiger ist als sein Kollege im Außenamt und womöglich auch als Kohl selber, liegt auf der Hand. Kinkel übt sich derzeit vor allem in der olympischen Disziplin „Dabeisein ist alles“. In dem Dickicht von Blauhelmeinsätzen, robusten Blauhelmeinsätzen, Friedenstruppen oder Nato-Truppen im Auftrag der UNO scheint er den Überblick verloren zu haben und schon lange nicht mehr zu wissen, was perspektivisch wichtig ist. Hauptsache, er persönlich wird endlich zum Vollmitglied der Bosnien-Kontaktgruppe, indem auch der deutsche Außenminister ein paar Truppen ins Feld führen kann.

Es ist kein Wunder, daß Kohl derzeit mehr der Position Kinkels zuneigt. Zwar sind noch sämtliche Details für eine Truppe, die den erhofften baldigen Friedensvertrag in Bosnien absichern und überwachen soll, unklar, aber immerhin – während des Gipfels auf Mallorca wurde schon mal darüber diskutiert. Kohl, als dienstältester Chef der EU und heimlicher Bahnhofsvorsteher der unvollendeten Gleisanlage der politischen Union, möchte da nicht abseits stehen. Wenn Amerikaner, Franzosen und Briten sich demnächst wieder treffen, um tatsächlich zur Sache zu kommen, möchte Helmut nicht mit Bruder Boris tatenlos zusehen müssen. Dafür, das wird Rühe dann schon einsehen, muß man auch mal bereit sein, ein Risiko in Kauf zu nehmen. Schließlich sind Soldaten nicht nur Mörder, sondern auch Opfer von Mördern. So etwas nennt man dann Berufsrisiko. Jürgen Gottschlich