Frauenhaus bald dichtgespart?

■ Sparrunde zum Haushalt läßt die alte Giftliste wieder auferstehen / Es droht der Todesstoß für ein Frauenhaus, die AIDS-Maßnahmen, Spielplatzinitiativen und viele andere

Heute gibt's einen Geburtstag zu feiern, mit einer Ausstellungseröffnung in der Bürgerschaft und warmen Worten von Parlamentspräsiden Reinhard Metz. Die Bremer AIDS-Hilfe wird zehn Jahre alt. Leider wird der AIDS-Hilfe kaum noch nach Feiern zumute sein. Denn: Am Montag hat beim Finanzsenator das erste Spitzengespräch zum Doppelhaushalt 1996/97 stattgefunden. Dran war die Sozialsenatorin Tine Wischer. Und was es da zu besprechen gab, das hatte es in sich. Rund 51 Millionen Mark sollen in den nächsten beiden Jahren bei den Bereichen Gesundheit, Jugend und Soziales eingespart werden.

Was das bedeutet, das hat das Sozialressort in einer internen Giftliste festgehalten, mit der Tine Wischer in die Beratungen geschickt wurde. Danach reicht es nicht mehr, wenn sich die Sozial- und Gesundheitsprojekte warm anziehen. Ihnen geht es schlicht ans Leben. Die Liste der geplanten Todesfälle reicht von einem Frauenhaus bis zu den Spielplatzinitiativen.

Seit Wochen werden in den Deputationen und Parlamentsausschüssen die Eckwerte für den kommenden Doppelhaushalt beraten. Seit Montag haben nun die „Chefgespräche“ begonnen. In denen sollen die einzelnen SenatorInnen dem Finanzsenator Ulrich Nölle erklären, wie sie die strengen Sparauflagen zu erfüllen gedenken. Was Tine Wischer im Gepäck hatte, das hatte es in sich.

Die Sozialverwaltung hat vorgerechnet, wie eng ihr Spielraum fürs Sparen ist. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: So eng, daß am Ende eine Liste von 13 Projekten auf der Strecke bleibt, wenn die Vorgaben nicht verändert werden. Danach müßten

1. alle Dienstleistungszentren aufgegeben werden, die die ambulante Altenbetreuung organisieren,

2. eines der beiden Frauenhäuser dicht machen,

3. die außerschulische Jugendbildung aufgeben,

4. alle Jugendclubs geschlossen werden,

5. die Spielplatzinitiativen über den Deister gehen,

6. die Jugendverbände genauso auf staatliche Zuschüsse verzichten, wie

7. alle sonstigen Projekte,

8. die Frauengesundheitsprojekte das Licht ausmachen,

9. das BIPS ohne Staatsknete auskommen,

10.die Förderungen für die AIDS-Maßnahmen entfallen und

11.das Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße mit einer drastischen Kürzung der Betriebsmittelausstattung auskommen.

Schon bei den vergangenen Sparrunden hatte das Sozialressort mit einer Giftliste gewedelt. Motto: Je schwärzer die Zukunft gemalt wird, desto größer wird der gesellschaftliche Druck auf die Sparkommissare, und desto größer wird damit die Chance, daß es am Ende nicht so schlimm wird.

An der Rechnung kann man diesmal Zweifel haben. Was jetzt auf dem Tisch liegt, das ist das Programm für die nächsten beiden Jahre. Das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht in Sicht. Denn die Sparquoten für die Jahre 1998 und 1999 sind in der Finanzplanung schon festgelegt worden. Dann sollen noch einmal 176,6 Millionen und 110,5 Millionen Mark aus dem Gesundheits-, Sozial- und Jugendhaushalt herausgequetscht werden.

Diesseits des Horrorkataloges hat das Sozialressort eine semi-katastrophale Auffanglinie aufgebaut, sollten die Sparkommissare den Strick ein wenig lockern. Auch wenn danach einige der Dienstleistungen und Projekte am Leben bleiben dürften, blutig wird es allemal: Millioneneinsparungen allein bei den Sozialprojekten.

Das wäre die vertretbare Deadline des Sozialressorts, wenn auch die Zahlen noch ziemlich wackelig sind. Die Risiken sind erbelich. Zum Beispiel ist die Steigerungsrate für die Sozialhilfekosten auf fünf Prozent jährlich angesetzt. Frankfurt am Main geht von acht Prozent aus. Zum Beispiel weiß noch niemand, wieviele Schulden Gesundheit, Jugend und Soziales von 1996 mit ins neue Jahr nehmen wird. Dem Ressort ist im Sommer eine Sparquote von rund 10 Millionen Mark aufgedäubelt worden, die in diesem Jahr nie und nimmer komplett aufgelöst werden kann.

Eines will die Sozialsenatorin vermeiden: daß sie den öffentlichen Protest gegen das Sparen alleine an der Backe hat. Deshalb soll das Sparpaket für alle Ressorts als Begleitgesetz zum Haushalt verabschiedet werden. Daß auch ja die Regierungsfraktionen mit ins Boot kommen. Was beim Spitzengespräch gestern herausgekommen ist, darüber herrscht noch Stillschweigen. J.G.