■ Nach dem „lebenslänglich“ gegen Sieglinde Hofmann
: Zur politischen Lösung unfähig

Souveränität im Umgang mit dem politisch motivierten Terrorismus läßt sich bundesdeutschen Strafverfolgern und Richtern wahrlich nicht nachsagen.

Knapp dreieinhalb Jahre ist es her, daß die Militanten aus der Roten Armee Fraktion die Waffen niedergelegt und das Scheitern ihres Konzeptes vom bewaffneten Kampf eingestanden haben. Es war eine Zäsur, die von der Bundesanwaltschaft ebensowenig wahrgenommen wurde wie von den diversen Staatsschutzsenaten. Der Repressionsapparat, im Zuge der Fahndung nach der RAF schubweise hochgerüstet, reagiert autoritär wie eh und je: Anklage, Urteil, Knast.

Als neue Qualität kommt einzig hinzu, daß mit den Aussagen der 1990 in der DDR festgenommenen RAF-Aussteiger die verbliebenen RAF-Gefangenen heute in reumütige und nicht reumütige unterschieden werden. Die Folge: Mit der Unterscheidung in Kronzeugen (denen ein Leben in Freiheit in Aussicht gestellt wird) einerseits und sogenannte Hardliner (die wie gestern Sieglinde Hofmann erneut verurteilt werden) andererseits wird jeder Ansatz untergraben, den Terrorismus der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte als politisches Phänomen zu begreifen und die entsprechenden politischen Konsequenzen zu ziehen.

Die wenigen bisherigen Versuche, den RAF-Terrorismus politisch zu beenden, hatten ausschließlich ein Motiv: weitere Attentate auf führende Politiker und Wirtschaftsvertreter in einer Situation zu verhindern, wo alle Mittel der Fahndung versagten. Die Anfang 1992 vom damaligen Bonner Justizminister Klaus Kinkel mitinitiierte Anlauf zu einer „Versöhnung“ des Staates mit seinen militanten Kritikern versandete genau in dem Moment, als die RAF ihren bewaffneten Kampf einstellte und mit dem Spitzel Klaus Steinmetz erstmals wieder ein Fahndungserfolg winkte. Nach derselben Logik wurden anschließend auch die Aussagen der in der DDR festgenommenen ehemaligen RAF-Aktivisten — entgegen ursprünglichen Zusagen — als Hebel genutzt, den ohnehin schon Verurteilten erneut den Prozeß zu machen.

So tragen die Strafverfolgungsbehörden dazu bei, die anachronistische Auseinandersetzung zwischen Staat und Militanten in die Gegenwart hinein zu verlängern. Zu sehen ist das an der „Antiimperialistischen Zelle“, die heute unter Berufung auf längst hinfällige RAF-Statements Politiker aus der zweiten Reihe mit Sprengstoffanschlägen bedroht. Wolfgang Gast