■ Die kleine Breitseite
: Gott sei Dank ...!!

Seht, Ihr Karlsruher Laien, das habt Ihr nun davon! Der Kulturkampf tobt! Bayern marschiert! Eine krachlederne, katholizistische Volksfront trachtet in nomine crucifixi den roten Richtern nach den Roben!

In nomine filii, dieses Urteil hat Eisen ins Blut aller Katholiken gegossen! Noch geben sie sich gewaltfrei im Sinne des höchstrichterlichen Blockadeurteils, drohen allenfalls mit zivilem Ungehorsam, wie sie ihn von der Friedensbewegung abgekupfert haben, aber bald kommt, was kommen muß: Katholiken entdecken die Militanz!

Gebirgsschützen tauchen in den Untergrund ab und formieren sich zu Edelweißbrigaden. Pfarrhaushalte bilden konspirative „Schwarze Zellen“ mit der vollen Kraft des Zölibats. In Niederbayern entstehen die ersten uneinnehmbaren Wehrkirchen mit integrierter Grundschule. In Karlsruhe gelingt es einem Spezialdominikaner, einen sozialdemokratischen Verfassungsrichter in einen Beichtstuhl zu locken und nach tagelanger Befragung zum öffentlichen Widerruf zu zwingen.

In Vilshofen schreiben Meßdiener ihren ersten Bekennerbrief. „Aufruhr, Widerstand, die Kreuze bleiben an der Wand!“ Was für die Linken der Siebziger der Sternmarsch war, ist für die Katholiken der Kreuzzug. Vor der Münchner Feldherrenhalle melden sich die ersten Freiwilligen. Volksfeststimmung! Es gibt Meßwein bis zum Abwinken. Zehntausende skandieren: „Verschwinden Kreuze von der Wand, ruft uns der Herr zum Widerstand!“

Schwarzkittel und Kutten fallen mit Sprechchören ein: „Ihr Richter sollt es jetzt schon wissen, euer Bau wird abgerissen!“ Es kommt zu Autobahnblockaden im kurdischen Stil. Die Bundesregierung sieht sich gezwungen, starke Polizeikräfte an die bayerische Grenze zu verlegen. Für den Fall einer Blockade Bayerns droht Radio Vatikan mit Sondersendungen.

Die taz enthüllt: GSG 9 trainiert heimlich die Entkreuzung von Grundschulen.“ Kardinal Ratziger ordnet im Auftrag des Heiligen Stuhls die Teilmobilmachung der Schweizer Garde an. Wie wird sich die bayerische Staatsregierung verhalten? Kommt es zum Abfall Bayerns?

Kroatien, der Vatikan und die IRA haben bereits eine mögliche Anerkennung des Freistaates signalisiert.

Leider ist die Fortsetzung des Szenarios hier nicht möglich, weil wieder einmal das Geld fehlt. Diese Glosse wird von 450 Leuten gelesen, aber nur 60 wollen dafür bezahlen. Pardon, mais le taz c'est vous!

Freundlicherweise hat sich Kardinal Friedrich Wetter aus München bereit erklärt, die restlichen Zeilen noch zu füllen: „Gott sei Dank, wenn unsre Kinder unter dem Kreuz lernen und nicht unter dem Hakenkreuz oder ähnlichen Zeichen des UnHEILs.“ Ach was, Herr Kardinal! Amtskirche und Hakenkreuz konnten doch ganz gut miteinander.

Auch unterm Hakenkreuz war gut beten: „Händchen falten, Köpfchen senken, immer an den Führer denken!“ Matthias Deutschmann

Kabarettist, lebt in Berlin und Freiburg