Williges Opfer der Erpressung

■ SPD-Landesfürsten für den Bau des Eurofighters

Noch vor einer Woche konnte man über die Reformfähigkeit der SPD streiten, in dieser Woche kann es einem nur noch übel werden. Was da am Montag abend an Statements über den Bildschirm flimmerte, war Helmut Schmidt pur. Schluß mit den Flausen einer neuen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Arbeitsplätze sind bedroht, der High-Tech-Standort BRD gefährdet. Also muß der Eurofighter gebaut werden. Da bricht sich nach den Personalquerelen nun auch die geballte inhaltliche Erneuerung der Partei Bahn. Schröder meint, was er sagt: Im Zeichen der „Modernität“ gibt es zwischen völlig unternehmerhörigen Positionen im christlich-liberalen Lager und ihrer vorgeblichen Alternative, der Standort- und Industriepolitik der SPD, keinerlei Unterschied mehr.

Diese letzte Innovation sozialdemokratischen Denkens wird auch noch am Jäger 90 demonstriert. Ein Jagdflugzeug der Extraklasse, Stückpreis rund 150 Millionen Mark, für das händeringend nach einer plausiblen Verwendung gesucht wird, soll auf Biegen und Brechen gebaut werden – eine Idiotie, wie selbst der keinerlei pazifistischen Neigungen verdächtige Ressortminister Volker Rühe bei seinem Amtsantritt zugab. Doch wie vor ihnen den Bundesminister, hat der größte deutsche Rüstungskonzern Daimler-Benz jetzt auch die zuständigen Ministerpräsidenten erfolgreich durch die Mangel gedreht. Die Erpressung war so durchschlagend, daß die SPD-Modernitätsvorreiter einknickten, obgleich Dasa-Chef Bischoff noch nicht einmal eine winzige Arbeitsplatzgarantie über den Verhandlungstisch reichte.

Dabei ist in der ganzen Debatte nicht ein einziges neues Argument aufgetaucht. Neu ist nur, daß der Konzern seine Drohung, Leute zu entlassen, jetzt zahlenmäßig konkretisiert hat. Daß der Ausstieg aus dem mittlerweile zum Eurofighter mutierten Projekt eines europäischen Jagdflugzeuges teuer wird, ist seit langem bekannt – der Ausstieg aus Kalkar ist auch teuer. Daß ein industrieller Strukturwandel erst einmal Arbeitsplätze kostet, gehört ebenfalls zum minimalen Wissensbestand. Und dennoch – die einst als Jusos mit den Stamokap-Broschüren im Ranzen gegen die Großkonzerne antreten wollten, sind jetzt als Parteiführer auf die Erpressung eines dieser Großkonzerne reingefallen. Ein Treppenwitz der bundesrepublikanischen Parteiengeschichte. Es ist schon richtig, daß auch ehemalige Jusos erwachsen werden müssen. Aber muß es dann immer gleich der völlige Absturz sein? Jürgen Gottschlich