Sanssouci: Vorschlag
■ "Drei Tolle Tage" - Lesungen im Kumpelnest
Klaus Beyer, der Beatle Abbildung: Martin Schmitz Verlag
Es muß am Namen liegen. Wann immer „Kumpelnest 3000“ auf der Einladungskarte stand, sah man abends Kunst und Leben beim Schnaps vereint. Bauchtänzer wippelten mit angeklebten Wackelbrüstchen zu knisterigen Flohmarktplatten, isländische Jungpioniere sangen Glam-Lieder zur Wandergitarre, und der Herr hinterm Tresen sah unter der Blondhaarperücke wie eine kumpelhafte Dame aus. Damit hat der bohemige Salonbetrieb an der Potsdamer Straße den meisten östlicher gelegenen Jubelläden eins voraus: Er ist nicht so überinszeniert, die Leute stehn hier halt jeden Tag rum, „egal wie das Wetter ist“ (Max Müller).
Bis zum Wochenende wird nun quer durch drei Neuerscheinungen des Martin Schmitz Verlags gelesen oder, besser: nachgestellt, was den Autoren zu „Orient“, „Gegenwelten“ und „Beatles“ eingefallen ist. Im „Kräuterufo“-Buch von Ogar Grafe und Eva Maria Ocherbauer geht es zwischen Rubio und Sahiree zunächst ein bißchen um Homosexualität. Dann taucht der fette Nachbar auf, pöbelt kurz; die jungen Leute interviewen eine gewisse Modder Ded über Star- und Totenkult; am Ende wird ein schöner Kräutertee getrunken. Ocherbauer hat die schwierige Geschichte von den Lehrjahren des Gefühls mit scherenschnittartigen Blumen- und Portraitfotos nachgestellt, Grafe wird die Lesung mit seinem Teppichkäferlied beenden.
D. Holland-Moritz verknüpft in „Weg durch Gegenwelten“ so diffuse Genres wie Essays zur Popkultur, Reisegeschichten, Beat-Literatur, Krimi und Cyberspace. Eine Art Philip Marlowe namens Langdon geistert durch Mexiko, um festzustellen, daß sein Leben aus werbecliphaften Drogenräuschen besteht: „Wo ist die Schnittstelle? Wo ist das Medium?“ Später wandert ein anderer Irrer durch allerlei Kirchen, und das Ganze löst sich wie unter LSD in einem kalifornischen Sonnenuntergang auf. Das Personal hat sich derweil von Fragment zu Fragment verflüchtigt – mehr Raumpatrouille Orion als Naked Lunch.
Auf seine Weise treibt Klaus Beyer am dritten Abend die allen Büchern innewohnende Esoterik des Alltags auf die Spitze. Der 1952 geborene Kreuzberg-Berliner und gelernte Kerzenzieher ist von den Beatles besessen. Seit 1980 filmt er in Super-8 eigene Zeichnungen und Fotocollagen zu ihren Liedern ab. Manchmal tritt er darin auch selbst als fünfter Beatle auf, hauptsächlich bei den psychedelischeren Sachen der „Sgt. Pepper“-Periode. Jetzt liegt bei Martin Schmitz sein Song-Buch mit über 90 Neuübersetzungen vor, so das wunderbare „Hey Bulldog“, wo es bei Beyer heißt: „Hund Fritz / steht im Regenguß, Frosch sitzt / tut es mit Genuß“. Harald Fricke
Heute bis Samstag, 21 Uhr, Lützowstraße 23, Tiergarten
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