Kaisers Bart

■ Müllvermeider vor dem Kadi: BSR will auch für leere Abfalltonne Geld

Wie auf ein geheimes Zeichen ziehen fünf Männer und Frauen in der ersten Reihe ihre Jacken aus. Schweigend präsentieren sie der Richterin ihre T-Shirts mit dem Aufdruck: „Weniger Müll tut gut.“ Darüber tragen sie Stoffwesten, auf denen zu lesen ist, daß sie zum Berliner „Greenpeace-Seniorenteam“ gehören. Auch der Angeklagte Reimar Krause macht sein Anliegen optisch sichtbar. Über seinen strammen Bauch spannt sich ein T-Shirt mit den Worten: „No time to waste.“

Reimar Krause nervt. Erst die Behörden und nun das Gericht. Der Tempelhofer Umweltschützer und ehemalige Öko-Lehrer weigert sich, seine Müllgebühren zu zahlen. „Ich produziere keinen Müll“, so seine Begründung. „Warum soll ich für eine leere Tonne zahlen?“ Nach mehreren gescheiterten Versuchen, sich von dem „Anschluß- und Benutzungszwang“ befreien zu lassen, ließ der 56jährige die Mahnungen der Stadtreinigung im letzten Jahr im Papier-Recycling.

Krause ist sich keiner Schuld bewußt. Er mache nichts anderes, als den Slogan der Stadtreinigung, „Weniger Müll tut gut“, in die Tat umzusetzen. So sieht er in der gestrigen Ladung vors Amtsgericht eine vage Chance, sein Anliegen öffentlich zu machen: „Wer Müll spart, muß honoriert werden.“ Die BSR solle nur das Geld kriegen, „was sie sich verdient“.

Für die BSR jedoch ist Krauses Verweigerung ein klarer Verstoß gegen Bundesrecht. Jeder Haushalt müsse, so Pressesprecherin Sabine Thümler, für die statistisch anfallenden dreißig Liter Müll pro Woche dreißig Mark pro Quartal zahlen. Damit werden kostenlose Leistungen wie die Sperrmüllentsorgung finanziert. Ausnahmen gibt es nur bei saisonal bedingten, halbjährigen Abfuhren in Gartenkolonien. „Wir hätten nicht 1,2 Millionen Tonnen Hausmüll“, so Thümler, „wenn keiner welchen produzieren würde.“ Sie zweifelt zwar nicht daran, daß Krause seinen Hausmüll selbst entsorgt. Doch es sei „nicht machbar“, diesen Nachweis zu erbringen. Und selbst wenn der BSR-Wagen einen Bogen um Krauses leere Tonne fahren würden, wäre das nur eine „marginale“ Einsparnis.

„Seit vier Jahren beschäftigt Krause jede Menge Leute“, schimpft Thümler. „Es geht um des Kaisers Bart.“ Doch in einem anderen Fall trug Krauses Hartnäckigkeit Früchte: Nach einem erfolgreichen Kampf gegen das Stadtplanungsamt durfte er auf seinem Haus einen Solarkollektor errichten. Er war der erste Berliner, dessen aus der Sonne gewonnener Strom ins öffentliche Netz eingespeist wurde. Dafür bekam er vom Umweltsenator den Umweltpreis.

BSR-Pressesprecherin Thümler findet es zwar „lobenswert“, wenn Krause weniger Müll produziert. Sollte dieses Beispiel Schule machen, werde die BSR darüber nachdenken, „wie man das anders machen kann“. Doch bei der derzeitigen „Stagnation“ bei 2,4 Millionen Haus- und Gewerbeabfall sieht Thümler keinen Grund. Nichtsdestotrotz hat sich die BSR ein hehres Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2004 soll diese Menge durch die Einführung der Biotonne und durch Müllvermeidung (!) auf die Hälfte reduziert werden. Mit einem schriftlichen Urteil des Gerichts, das von einer „politischen Frage“ sprach, ist in etwa zwei Wochen zu rechnen. Barbara Bollwahn