Der Bau, die Stadt und der Tod

■ In Berlin häufen sich die tödlichen Unfälle auf dem Bau. Am Dienstag abend wurde eine Frau in der Friedrichstraße von einem herabfallenden Eisenträger erschlagen. In diesem Jahr gab es bereits 19 Tote.

„Ein Unfall mußte kommen“, meint Josef Steinfelder, der die Großbaustelle Friedrich- Ecke Mohrenstraße vor seiner Haustür hat. Täglich beobachtet er, wie Kräne Lastwagen entladen und dabei auch über den Gehsteig schwenken. Am Dienstag abend um 18 Uhr endete das Entladen für eine 28jährige Berlinerin tödlich. Ein Stahlträger fiel aus der Halterung am Kranseil 15 Meter herab und erschlug die junge Frau am U-Bahn-Ausgang Stadtmitte.

Für Eginhard Wonneberger, Referatsleiter für Baustellensicherheit beim Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit, ein weiterer Fall in einer traurigen Statistik: „Der Unfall in der Mohrenstraße ist bereits der neunzehnte Todesfall in diesem Jahr. In den letzten beiden Jahren gab es insgesamt jährlich achtzehn Tote.“

Trotzdem werde im Berliner Bauboom nicht zunehmend hektischer und verantwortungsloser gebaut, meint Lothar Zietz von der Berliner Bauberufsgenossenschaft: „Wenn mehr gebaut wird, passiert natürlich auch mehr.“ Trotzdem sieht Wonneberger eine spezifische Hauptstadtproblematik: „In Berlin sind Baustellen oft dicht beieinander, die Hektik, Bautermine einzuhalten, führt zu Bauzeiten bis in die Nacht.“ Viele ausländische Firmen würden die deutschen Sicherheitsbestimmungen nicht kennen, oft gäbe es Sprachprobleme bei der Umsetzung.

Daß trotz gestiegener Bautätigkeit 1994 die Unfallzahl nicht gleich stark anstieg, führt Wonneberger auch auf die stärkeren Kontrollen seiner Behörde zurück. Trotzdem könnten seine 25 Mitarbeiter nicht alle 150.000 Baustellen in Berlin im Auge behalten. Rund 7.500 Besichtigungen gibt es jährlich. In der letzten Zeit wurden 137 Kräne überprüft. 12 wurden sofort stillgelegt, in 67 Fällen Ordnungswidrigkeiten festgestellt.

Der Kran in der Mohrenstraße, der die tödliche Fracht führte, sollte bereits wenige Stunden später demontiert werden. Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Grünen, findet es verwunderlich, daß die Friedrichstraße südlich Unter den Linden nicht vollständig gesperrt ist: „Als Fußgänger hat man da immer das Gefühl, man läuft mitten durch die riesigen Baustellen.“

Nach Informationen der Baugenossenschaft könnte ein Materialfehler an den Eisenträgern selbst die Ursache für den Unfall am Kontorhaus gewesen sein. „Auf jeden Fall muß aber im Schwenkbereich eines Krans jeglicher Aufenthalt von Passanten unterbunden werden“, meinte Wonneberger. Adrian Prechtel