■ Tunnel als Machtdemonstration
: Vorrang für den Bagger

Der 13. Oktober, an dem Bundeskanzler Kohl den ersten Spatenstich für das gigantische Tunnelwerk im Tiergarten tun will, wird eine Demonstration der Macht und der Arroganz. Eine Woche vor den Parlamentswahlen werden mit dem Baubeginn Fakten geschaffen, die jeden künftigen Senat knebeln sollen. Wenn an diesem Tag die Baggerkralle das Erdreich aufreißt, dann wissen alle Ehrengäste, daß die Rechtmäßigkeit des Bauwerks überhaupt noch nicht geklärt ist. Denn zu den demokratieunverträglichen Begleiterscheinungen gehört auch, daß Klagen überhaupt erst nach Baubeginn eingereicht werden können. Zudem gibt es nur eine Gerichtsinstanz. Die trickreich gezogenen Fallstricke des sogenannten „Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes“ sorgen auch dafür, daß eine Klage gegen das milliardenteure Röhrengewirr keine aufschiebende Wirkung hat: Die Baumaschinen haben Vorrang.

Das Ergebnis ist deshalb vorhersagbar. Mögen die Argumente der Kläger gegen das Tunnelwerk noch so profunde sein, die Realität der Baugrube wird Wirkung zeigen. Welcher Richter wird da einen Baustopp wagen? Einige Nachbesserungen werden herauskommen – umzusetzen im laufenden Baustellenbetrieb. Die Verdrossenheit über derlei staatliche Aushebelung von Bürgerbeteiligung wird darüber nicht kleiner werden. Gerd Nowakowski