Abstimmen ja, aber ohne Mitsprache

■ Der Volksentscheid über "Mehr Demokratie in Bayern" steht an. Die CSU schürt Ängste vor Bürgerbegehren. Rundbriefe an Sportvereine: "Dann können Sie manche Zukunftspläne vergessen"

München (taz) – Am 1. Oktober droht ein unkalkulierbares Risiko. So jedenfalls sieht es Alois Glück, Chef der CSU-Landtagsfraktion. Wenn nämlich beim Volksentscheid am Sonntag der Gesetzentwurf der Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“ angenommen wird, dann könnte man so manche Zukunftspläne vergessen, warnte Glück die bayerischen Vereine gerade in einem Rundbrief.

Vereinsheime, Sport- oder Bolzplätze würden dann in den Kommunen bald von Minderheiten durch Bürgerbegehren verhindert werden. Und nur der Gegenentwurf der CSU, so klärte Glück die bayerischen Gesangs-und Sportvereine fürsorglich auf, stelle den „Schutz der schweigenden Mehrheit“ sicher.

Das Volksbegehren wurde angestrengt, um endlich auch im Freistaat den kommunalen Volksentscheid einzuführen. Der Gesetzentwurf der Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“ schließt so gut wie keine Themen mehr von einem Bürgerbegehren aus. Die einfache Mehrheit der Abstimmenden würde dann schon genügen, umstrittene Projekte zu verhindern.

Die CSU startete eine Gegenkampagne mit einem finanziellen Aufwand von etwa 800.000 Mark. Mit ihrem Gegenentwurf will sie vor allem eines versprechen: Stabilität. Der CSU-Entwurf schließt Themen wie Mülldeponien oder Bebauungspläne de facto von Bürgerbegehren aus.

Das freut natürlich vor allem jene Berufspolitiker vor Ort, die sich nicht mit lästigen Anwohnerprotesten herumquälen wollen. Daher unterstützen mittlerweile sogar einige SPD-Kommunalpolitiker den CSU-Entwurf. Der Freisinger Bürgermeister Dieter Thalhammer zum Beispiel sagt, er würde am liebsten auf alle Arten von Bürgerentscheiden verzichten. „Doch der CSU-Entwurf dürfte die Schwierigkeiten, die die Verwaltung haben wird, wenigstens verringern.“

Wichtigster Punkt im CSU- Entwurf ist das sogenannte Quorum, das die bayrischen Konservativen beim Bürgerbegehren einführen wollen. Danach wären Proteste nur dann erfolgreich, wenn mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen. Daran aber würden in der Praxis viele Bürgerbegehren scheitern, fürchtet Michael Seipel, Sprecher von „Mehr Demokratie in Bayern“: „Das wäre ein völlig undemokratisches Prinzip, das nach Erfahrungen in anderen Ländern vor allem in größeren Städten ein Bürgerbegehren extrem erschwert.“

Welcher Gesetzentwurf sich am Sonntag beim Volksentscheid durchsetzen wird, ist schwer abzuschätzen. Während die Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“ anfangs die Diskussion prägte, hat die CSU inzwischen aufgeholt. Ihr hoher Kampagnenetat macht sich bemerkbar. Hinzu kommt die kostenlose Unterstützung durch die Appelle der bayerischen Staatsregierung.

Doch selbst CSU-Generalsekretär Bernd Protzner ist nicht sicher, ob die Wahlbeteiligung über 50 Prozent hinauskommen wird. Und auf dem Wahlzettel am Sonntag kann man auch den Passus ankreuzen: „Ich lehne beide Entwürfe ab.“ Felix Berth