Wie kriminell ist der Kauf von Spielgeld?

■ Prozeß gegen Ex-SPD-Europaabgeordneten wegen versuchter Hehlerei geplatzt

Aschaffenburg (taz) – Ein klarer Fall für das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler: Nach fünf Verhandlungstagen platzte gestern der Prozeß gegen den früheren SPD-Europaabgeordneten Dieter Schinzel aus Aachen wie eine Seifenblase. Die Große Strafkammer des Aschaffenburger Landgerichts hatte in großer Besetzung gegen Schinzel und den Kölner Journalisten Joachim R. wegen versuchter Hehlerei verhandelt. Alles umsonst, ein krasser Fall von Geldverschwendung. Eine zur Aufklärung des dubiosen Falles notwendige Zeugenanhörung sprengte den bis zum April nächsten Jahres restlos gefüllten Terminkalender der Rechtsanwälte. Irgendwann im Frühsommer 1996 muß das Verfahren völlig neu begonnen werden.

Das war allerdings bereits zu Prozeßbeginn vorauszusehen, als das Gericht das Verfahren der mit angeklagten, aber erkrankten Barbara R. abtrennte. Bei Barbara R. liefen alle Fäden der grotesken Gaunerkomödie ab, in die der 52jährige Schinzel verwickelt war. Im Zentrum stehen dabei 3.867 plump gefälschte 1.000-Schweizer- Franken-Noten. Diese sollten, versehen mit der Legende, das Geld stamme aus einem Bankraub, in echte Deutsche Mark getauscht werden. Schinzel und R. hätten in dem lukrativen Geschäft laut Anklage als Vermittler fungiert. Als der mutmaßliche Käufer sich jedoch als verdeckter Ermittler des bayerischen Landeskriminalamtes entpuppte, flog der Deal auf.

In einem ersten Verfahren waren vier Beteiligte bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Schinzel und R. mußten sich nun wegen eines untauglichen Versuchs der Hehlerei verantworten. Eine Anklage auf tönernen Füßen, denn Hehlerei liegt nur dann vor, wenn die Ware aus einer illegalen Transaktion stammt oder wenn Verkäufer oder Vermittler zumindest davon ausgehen. Da die Franken-Blüten nicht aus einem Raub stammten, verblieb Staatsanwältin Annamaria Stadler die undankbare Aufgabe, Schinzel nachzuweisen, daß er geglaubt habe, das Geld sei geraubt worden.

Als nun weder die V-Leute des LKAs noch andere Zeugen bestätigen konnten, daß den beiden Angeklagten die kriminelle Herkunft des Geldes klar gewesen sei, gab es nur noch eine Möglichkeit: Die erkrankte Barbara R. sollte für Aufklärung sorgen. Wegen unüberbrückbarer Terminschwierigkeiten platzte das Verfahren. Ob ein neuer Anlauf für Aufklärung sorgt, steht dahin. Barbara R. kann als Beschuldigte die Aussage verweigern. Bernd Siegler