Kanther verweigert den Reisepaß

Streit um die Staatszugehörigkeit von Immigrantenkindern beschäftigt Regierungskoalition. Die FDP ist für eine befristete doppelte Staatsangehörigkeit. Entscheidung mit 18 Jahren  ■ Aus Bonn Karin Nink

Welchen Rechtsstatus sollen hier geborene Kinder von Zuwanderern erhalten? Die Frage beschäftigt zur Zeit die Innenpolitiker der Koalition. Gestern haben sie mit Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts beraten.

Kernstück ist die in den Koalitionsvereinbarungen festgelegte „Kinder-Staatszugehörigkeit“, die Ausländerkindern der dritten Generation eine spezielle Staatszugehörigkeit gewähren soll. Uneins sind die Koalitionspartner darüber, wie diese Regelung praktisch ausgestaltet werden kann.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Beratungen orientierten sich an den „sehr konkreten Vorgaben“ der Koalitionsvereinbarungen. Gleichzeitig heißt es in Bonn aber, daß Kanther, anders als in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, den Immigrantenkindern keinen Reisepaß mehr, sondern nur noch einen Personalausweis zubilligen wolle, in dem die Staatszugehörigkeit vermerkt sei.

Mit diesem Kanther-Vorschlag wollen sich die Liberalen auf keinen Fall einverstanden erklären. Vielmehr hält man in der FDP die ursprüngliche Regelung der „Kinder-Staatszugehörigkeit“ mittlerweile für rechtlich nicht praktikabel. Deswegen haben sich die Liberalen still und leise davon verabschiedet und plädieren dafür, daß in Deutschland geborene Zuwandererkinder automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erhalten sollen. Nach der Volljährigkeit sollen sie sich in einer bestimmten Frist für eine der beiden entscheiden.

„Die Kinder-Staatszugehörigkeit ist ein Leertitel in den Koalitionsvereinbarungen, unter dem man sich alles mögliche vorstellen kann“, verteidigt der FDP-Innenpolitiker Edzard Schmidt-Jortzig die Haltung seiner Partei.

Mit ihren Vorstellungen stoßen die FDP-Politiker bei vielen Unionskollegen allerdings auf wenig Gegenliebe. Diese halten zumeist eisern daran fest, eine doppelte Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Der bündisgrüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir bedauert, daß „das unselige Modell einer Kinder-Staatszugehörigkeit in der Koalition immer noch nicht vom Tisch ist“. Die doppelte Staatsangehörigkeit wertet Özdemir als Chance, besonders für die erste und zweite Zuwanderergeneration, sich zu ihrer Zugehörigkeit zu Deutschland zu bekennen, ohne die anderen Teile ihrer Biographie zu verleugnen.

Bisher verfügen Immigrantenkinder lediglich über die Staatsangehörigkeit der Eltern. Nach den Koalitionsvereinbarungen sollen Kinder, deren Eltern die letzten zehn Jahre rechtmäßig in Deutschland gelebt haben und Kinder, deren Vater oder Mutter in Deutschland geboren ist, neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch die spezielle deutsche „Kinder-Staatszugehörigkeit“ erhalten. Diese erlischt aber, wenn die jungen Leute sich nach Erreichen der Volljährigkeit nicht dazu entscheiden, auf die Staatsangehörigkeit der Eltern verzichten.